Basilika Vierzehnheiligen | Nr. 56 / 29. Jhrg. 2022/1
9 N achts in der B asilika Manchmal stelle ich mir vor, wie es in der Basilika wohl aussehen mag, wenn am Abend das schwere Portal von außen geschlossen wird. Das helle Licht weicht der Dämmerung und dem Dunkel. Nur das ewige Licht flackert vom Altar her. Und die vielen Engel und Heiligen, die die Kirche bevölkern und tagsüber wie vereist auf ihren Podesten und Simsen verharren,- sie beginnen nach und nach sich zu bewegen, als tauten sie langsam in der Stille auf. Sie dehnen und strecken sich, schütteln alle Steifheit von sich ab, und es kehrt Leben in sie ein. Schon schlagen die Kleinsten ganz oben aufgeregt mit den Flügeln, die Instrumentalengel spielen eins nach dem anderen ihre Flöten, Trompeten und Geigen ein, bis der große Engel, direkt unter der hl. Dreifaltigkeit ein ‚A‘ gibt. König David stimmt seine Harfe. Ein Soli- stenengel tritt hervor mit dem „Panis angelicus“. Vom Brot der Engel wird da gesungen, das Brot der Engel, das zum Brot für die Menschen wird. Aber dann sind die Tanzengel nicht mehr zu halten. Die furiose Toccata d-moll von Bach reißt sie alle im Hagel ihrer Töne von ihren Plätzen. Auch die erhabenen Heiligen auf den Altären wippen mit ihren Füßen. Und der meist etwas zu schüchterne Tanzengel unter der Kanzel beginnt zaghaft mit seinem Solo nach einem Text von Christa Peikert Flaspöhler: „ich tanze uns, Gott … ich tanze dein Sprechen und Schweigen/ ich tanze dein Kommen und Fernsein / ich tanze dein Feuer und Dunkel/ in meine Fragen/ das ungelöste Geheimnis/ Warum und Wozu/ ich tanze uns, Gott.“ Und so singen und spielen und tanzen all die Engel und Heiligen durch die Nacht und proben die Ouvertüre für den groß- en Morgen, den Ewigen, und das Finale, wann es auch anbricht, – und das Portal sich endlich auftut, für immer! P. Dietmar Brüggemann
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