Basilika Vierzehnheiligen | Nr. 61 / 31. Jhrg. 2024/2

11 „Christophorus und der ruhelose Wanderer“ – einst ein Bild in der Votivkammer Der Nothelfer Christophorus bringt die Menschen zielsicher vom einen Ufer des Flusses auf die andere Seite. Er wird und wurde daher oft in der eigenen Todesstunde um Beistand angerufen. Auf unserem Bild in der Votivkammer ist er dargestellt mit der legendären Figur Ahasver. In einer der ältesten schriftlichen Überlieferungen, den „Flores Historiarum“, einer Weltchronik des englischen Mönchs Roger von Wendover aus dem Jahr 1228, können wir nachlesen, dass der „ewig Lebende“ angeblich der römische Türhüter Cartaphilus des Pontius Pilatus gewesen sei. Der Volkssage nach habe er Jesus auf dem Weg zur Kreuzigung unsanft angetrieben oder verspottet und sei daher dem Fluch verfallen, auf ewig nicht sterben zu können bzw. lebend die Wiederkunft des Auferstandenen erwarten zu müssen. Eine anonyme deutsche Schrift, 1602 in Leiden gedruckt, machte aus dieser Figur einen rastlos wandernden Juden und gab ihr in Anspielung auf einen persischen König den Namen Ahasverus. Diese neue Version der Legende verbreitete sich in ganz Europa. Dieser ewig und rastlos durch die Zeiten wandernde Unbekannte bekam in verschiedenen Ländern abwechselnde Namen. Eine biblische Analogie für den ruhelosen Wanderer sieht man nach christlicher Interpretation auch in Kain, den Gott nach seinem Brudermord an Abel ebenfalls zur unsteten Wanderschaft verurteilte: „Rastlos und ruhelos wirst du auf der Erde sein“ (Gen 4,12). Der ewige Wanderer wurde zum Sinnbild für die Leidensgeschichte des ganzen Judentums. Zahlreiche Schriftsteller, Künstler und Komponisten griffen diese bekannte Volkslegende auf und schmückten sie mit allerlei Details in der Literatur, Kunst und Musik aus. Leider hat diese Geschichte wegen mancher judenfeindlichen Bearbeitungen, spätestens aber seit der antisemitischen Propaganda im Film „Der ewige Jude“ (1940) durch den Nationalsozialismus, einen bitteren Beigeschmack. Daher haben wir das Bild aktuell aus der Votivkammer entfernt.

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