Basilika Vierzehnheiligen | Nr. 62 / 32. Jhrg. 2025/1

2 1225 – also vor 800 Jahren – dichtete und komponierte Franz von Assisi seinen Sonnengesang. Dieses Lied eröffnet die italienische Poesiegeschichte (noch vor Dante Alighieri) und ist zur Weltliteratur geworden. In der ältesten Abschrift aus dem Jahr 1250 wird der Sonnengesang eingeleitet: „Hier beginnt das Loblied der Geschöpfe, das Franz zum Lob und zur Ehre Gottes verfasst hat, als er krank zu San Damiano lag.“ Das heitere Lied ist also ein Krisenprodukt, Franz schreibt es wenige Monate vor seinem Tod, als er von ständigen Schmerzen gequält und fast blind ein Pflegefall geworden ist. Franz wählt eine Sprache, die direkt von seinem Herzen auf das Papier gelangt. Dadurch schenkt er uns ein Gedicht, welches ein hervorragendes Zeugnis für sein Naturverständnis abgibt. Franz lässt sich von allem, was lebt, an Gott erinnern. Die Schöpfung ist voller Spuren Gottes, die Natur ein Fenster zu Gott. In den ersten sechs Strophen des Sonnengesangs lässt sich eine erstaunliche Systematik entdecken: Den drei Himmelsgeschöpfen Sonne, Mond und Sterne stehen mit Wind, Wasser, Feuer und Erde die seit der Antike bekannten vier Urelemente gegenüber. Die heilige Zahl drei bezeichnet sozusagen das Oben, das Erhabene, das „Transzendente“, das sich über das darunterliegende Weltgeviert spannt. Das Oben und das Unten verbinden sich zur Siebenzahl, und die steht auch hier für die Fülle, das Ganze. Da klingt noch einmal die Genesis durch: Alles war sehr gut, alles lobt Gott. Bemerkenswert auch, dass männliche und weibliche Geschöpfe immer paarweise auftreten, da reichen sich jeweils Bruder und Schwester in harmonischem Reigen die Hand und verweisen so nochmals auf das Ganze, zu dem sie sich in ihrer Verschiedenheit ergänzen: Bruder Sonne und seine Schwestern Mond und Sterne, Bruder Wind und Schwester Wasser, Bruder Feuer und Schwester Mutter Erde. Mit der siebten Strophe seines Liedes hat Franz dem Bürgermeister und Bischof von Assisi damals ins Gewissen geredet, die beide verfeindet waren. Als sie diese hörten, hätten sich beide auf wundersame Weise sofort versöhnt. Ganz anders werden die beiden letzten Strophen seines Liedes formuliert. Franz stellt da sogar den eigenen Tod in die Reihe der zu lobenden Kreaturen, warnt alle davor, durch eine Todsünde belastet zu sterben. Wer versöhnt mit Gott und der Welt sterben kann, braucht den Tod nicht mehr zu fürchten, denn dieser ist der Übergang zum ewigen Leben bei Gott. Am 29. November 1979 erklärte Papst Johannes Paul II. Franz von Assisi zum “himmlischen Patron des Umweltschutzes“, um der Welt von heute einen wichtigen Impuls zur Erhaltung unserer Schöpfung zu geben. Papst Franziskus hat seine Umwelt-Enzyklika 2015 nach dem Sonnengesang benannt. Sonnengesang des Hl. Franz von Assisi (Text: www.franziskaner.net/der-sonnengesang )

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