9 „‘Seid Pilger der Hoffnung!‘ Was soll das denn heißen?“ fragte die kleine Kapelle neben dem Konradshof die große Wallfahrtskirche auf dem Berg. „Das ist das Motto des Hl. Jahres in Rom und das Thema der Wallfahrt 2025 hier in Vierzehnheiligen“, antwortete die Basilika. „Ich finde das einen sehr gelungenen Slogan. Die vielen Wallfahrer/innen sollen nicht enttäuscht ihre Vergangenheit bedauern, sondern zuversichtliche Schritte ins Ungewisse wagen.“ „Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt“, zitierte die kleine Kapelle aus ihrem Gedächtnis, um zu zeigen, wie geistreich sie sein kann. Immerhin bekommt sie von der Schule nebenan viel mit. „Was zuletzt stirbt, ist die Hoffnung“, konkretisierte die Basilika ihre kleine Schwester. „Solange ich atme, hoffe ich, haben schon Cicero und Seneca geschrieben. Durch Hoffnung bekommen wir eine Perspektive, die uns die Kraft gibt weiterzuleben. Hoffnung ist so notwendig zum Leben und Überleben wie die Luft zum Atmen.“ Gespräch der kleinen Kathedrale im Tal mit der grossen Basilika auf dem Berg „Unter Glaube und Liebe kann ich mir etwas vorstellen. Aber ist Hoffnung nicht nur ein billiges Vertrösten auf den Sankt-Nimmerleinstag?“, fragte die kleine Kapelle nach. „Hoffnung ist die Fähigkeit in uns, mehr zu sehen als die augenblickliche Wirklichkeit. Hoffnung ist unser Gespür dafür, dass es noch mehr gibt als das, was ich gerade sehe“, erklärte die Basilika. „Hoffnung ist wie das Licht am Ende des dunklen Tunnels, wie ein offenes Fenster, wie ein Lichtblick in den blauen Himmel, wie eine duftende Rose, …“. „Danke für die schönen Bilder, die mir die Hoffnung anschaulich machen“ erwiderte die kleine Kapelle, „jetzt kann ich mir besser vorstellen, was damit gemeint ist“. „Was ein Pilger ist, das weißt du doch, oder?“, erkundigte sich die Basilika. „Das ist einer, der sich auf den Weg macht, zu Fuß, mit dem Fahrrad oder auf dem Pferd viele Kilometer zurücklegt und einen Wallfahrtsort besucht, den Ort seiner Sehnsucht“, erläuterte die ‚kleine Kathedrale‘ selbstbewusst. „Ein Pilger ist einer, der in eine unsichere Zukunft aufbricht und vermeintliche Sicherheiten hinter sich lässt. Er ist sich bewusst, dass er mit wenig zufrieden und mit leichtem Gepäck unterwegs nur auf der Durchreise ist, dass er sich auf das Wesentliche konzentrieren muss, stets das Ziel vor Augen hat, die eigentliche Heimat im Himmel“, antwortete die Basilika oberlehrerhaft. „So ein Pilger auf unbekannten Pfaden braucht aber viel Mut, Kraft und Zuversicht, damit er ans große Ziel gelangt“, reagierte die ‚kleine Kathedrale‘ auf die philosophischen Gedanken ihrer großen Schwester. „Es ist wie im richtigen Leben“, bemerkte die Basilika, „die Hoffnung trägt uns, sie verleiht uns Flügel und stärkt uns auf dem Weg. Ohne Hoffnung funktioniert nichts mehr. Daher lasst uns ‚Pilger der Hoffnung‘ sein“. P. Maximilian Wagner
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