Im Land des Herrn | 74. Jahrgang | 2020 - 1
1/2020 11 n der Erscheinungskapelle (Sakraments- kapelle) der Franziskaner, nördlich des Grabes Christi in der Grabeskirche, steht in einer Nische zwischen Altar und Tür ein Teil einer dunkelroten Säule aus Porphyr, einem Gestein vulkanischen Ursprungs. Seit vie- len Jahrhunderten wird sie als die Säule verehrt, an welche Jesus während seiner Geißelung gefesselt worden sei. Nach römischem Brauch konnten zum Tod Verurteilte vor einer Kreuzigung gegei- ßelt (ausgepeitscht) werden, damit sie viel Blut verloren und so der Tod am Kreuz beschleunigt wurde. In Apg 5,40 findet sich dagegen ein Beispiel für eine Geißelung der Apostel, die jedoch vom Hohen Rat der Juden verhängt wurde und die nicht mit der Todesstrafe verbunden war. Die Berichte der Evangelien über die Gei- ßelung Jesu erwähnen keine Säule. Die Tradition, dass Jesus während seiner Gei- ßelung an eine Säule gefesselt gewesen sei, ist jedoch schon sehr alt. Der älteste Beleg dafür findet sich im Bericht des anonymen Pilgers von Bordeaux (333 n. Chr.): „Steigt man auf den Zion, kann man das Haus des Priesters Kajaphas sehen, wo die Säule ist, an welche Jesus gebunden war, während er gegeißelt wurde.“ Das Haus des Kajaphas wurde in den ers- ten christlichen Jahrhunderten auf dem Westhügel Jerusalems gezeigt, dem (christ- lichen) Zion. Aus dem Zeugnis des Pilgers von Bordeaux geht hervor, dass es auf dem Zion mehrere Erinnerungsstätten an die Passion Jesu gab: das Haus des Kajaphas mit der Geißelungs- säule und das Prätorium, also den Palast des Pilatus. Die Geißelungssäule in der Grabeskirche Noel Muscat OFM I Geißelungssäule in der Erscheinungskapelle der Grabeskirche. © Petrus Schüler
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