Im Land des Herrn | 74. Jahrgang | 2020 - 1
1/2020 29 Malik al-Kāmil und die abendländischen Christen Nach dem Fall Jerusalems im Jahr 1187 erlaubte es Saladin den Christen, die Stadt zu verlassen, aber nur gegen eine Gebühr. Balian von Ibilín und der Patriarch Jerusalems selbst bezahlten den Preis für die Abreise von ca. 10.000 Chris- ten. Auch al-‘Ādil , der Vater von Malik al-Kāmil , bezahlte für ca. 5.000 Christen die Gebühren als Werk der Barmherzigkeit und aus Dankbarkeit dafür, dass Allah ihm ermöglicht hatte, die Stadt zu erobern. Trotzdem sind viele Christen innerhalb der Stadtmauern geblieben. In diesem Zeitraum waren die Christen noch in der Mehrzahl. Aktu- elle Forschungen bestätigen die christliche Mehrheit in Palästina bis ins 14. Jahrhundert. Saladin und al-‘Ādil hatten nicht nur mit den Lateinern im Land zu tun, sondern auch mit den Lateinern im Mittelmeer. Die Flotten der Königreiche der Kreuzfahrer und vor allem die Flotten der italienischen Seerepubliken belauer- ten immer wieder die muslimischen Herrscher. Um diese Gefahr abzuwehren, hatte Saladin die Flotte fatimí wiederaufbauen lassen. Die militä- rischen Unkosten wurden aber sehr hoch und haben die Finanzen des Reiches so geschwächt, dass der Bankrott drohte. Seinerseits versuch- te al-‘Ādil , eine mildere Politik zu betreiben: Er traf ein Abkommen mit Venedig, worin er Vene- dig Handelsprivilegien gewährte, wie z. B. die Benutzung der Häfen in Syrien und Ägypten und die Eröffnung von Konsulaten in mehreren arabischen Städten. Hingegen hatte sich Venedig verpflichtet, die Kreuzfahrertruppen nicht nach Ägypten zu verfrachten. Al-‘Ādil und sein Sohn Malik al-Kāmil pfleg- ten eine Politik der guten Beziehungen zu den Kreuzfahrern. König Richard Löwenherz soll Malik al-Kāmil , als er noch elf Jahre alt war, den Rittertitel als Zeichen der guten Beziehungen verliehen haben. Aufgrund dieser guten Beziehungen wurde Ägypten während des von Papst Innozenz III. im Jahr 1202 ausgerufenen vierten Kreuzzugs vom Kampf verschont. Zu dieser Zeit war al-Kāmil 22 Jahre alt. Er war schon bei der Regierungs- politik seines Vaters aktiv gewesen und bereitete sich als sein Nachfolger vor. Der Kreuzzug war ein schwieriges Unternehmen, dessen größtes Problem der Truppentransport war: 4.500 Ritter, 9.000 Schildknappen und 20.000 Infanteristen. Für die Lösung dieses Pro- blems bot sich Enrico Dandolo an, der „ehrliche“ Doge Venedigs, der eine Flotte von 50 Galeeren aufbauen ließ und sich auch dazu verpflichte- te, für den Unterhalt der Armee während die- ser Zeit aufzukommen. Dafür sollte er 85.000 Silbermark und die Rechte über die Hälfte der Beute erhalten. Ein Abkommen wurde unter- zeichnet. Im Juni 1202 war die Flotte fertiggebaut. Da aber die Kreuzzugstruppe spürbar kleiner geworden war, konnte das festgesetzte Schuldgeld nicht aufgebracht werden. Venedig gab die Flotte ohne die vollständige Begleichung der Schuld nicht Sultan Sultan Das Grab Saladins. © Petrus Schüler
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