Im Land des Herrn | 74. Jahrgang | 2020 - 1
1/2020 31 Ägypten. Im Ägypten wurden aber die Staudäm- me des Nils zur Verteidigung eingerissen, um das Nildelta zu überfluten. Das christliche Heer floh verwirrt und wurde so eine leichte Beu- te der muslimischen Truppen. Die überleben- den Kreuzfahrer erklärten die Kapitulation und erlangten einen Waffenstillstand, der acht Jahre dauerte. Am Ende des ausgehandelten Friedens hat al-Kāmil dem Kaiser Friedrich II. ein neues Abkommen vorgeschlagen. Der Kaiser war mit der Tochter Johannes von Brienne, Isabella II. verheiratet und führte den Titel „König von Jerusalem“. 1229 wurde ein zehnjähriges Friedensabkommen von beiden Herrschern unterzeichnet. Al-Kāmil bot die Verwaltung Jerusalems und anderer hei- ligen Stätten an. Der Zugang zur Stadt sollte den Muslimen und den Juden verboten sein, mit Ausnahme des Besuchs der jüdischen Kultstät- ten und der islamischen Heiligtümer: al-Aqsā und Felsendom. Der Sultan gestatte nicht, dass die Stadtmauern wiedererrichtet würden, damit Jerusalem nie wieder eine Festung oder ein stra- tegisch-politisches Zentrum werde. Lernen, Sultan zu sein Malik al-Kāmil hatte schon als 20-Jähriger gelernt, dass das Gold mächtiger ist als irgend eine Armee, aber auch, dass der Friede wertvoller ist als das ganze Gold der Welt. Einmal auf dem Thron, führte er diese Friedenspolitik durch und pflegte gute Beziehungen mit Johannes von Brienne, dem König von Jerusalem. Al-Kāmil kannte die Habgier der italienischen Handelsrepubliken sehr gut, vor allem die maß- lose Habsucht Venedigs. Er hatte erfahren, wie Genua und Pisa aus Konstantinopel vertrieben und ihr Zugang zum östlichen Mittelmeer unter der Macht der Serenissima eingeschränkt wur- de. Er wusste, dass die Ausrüstung einer großen Flotte, die Venedig militärisch hätte die Stirn bie- ten können, unmöglich oder zumindest extrem teuer war. Ein solches Unternehmen hätte, genauso wie vorher bei Saladin, zum Bankrott geführt. Daher konzentrierte al-Kāmil seine Kriegsflotte auf die Kontrolle Jemens und der arabischen Küste. Währenddessen tolerierte er die Handelsexpansion Venedigs, um seine Neutralität zu zeigen und eine Invasion zu vermeiden. al-Kāmil lernte viel aus seinen politischen Erfahrungen zwischen Konfrontation und Diplo- matie. Er konnte aber auch eigene Entscheidun- gen treffen. Er kannte das islamische Recht, die Interpreta- tionsvorschriften des Islam und rezitierte den Koran. Außerdem hatte er Kenntnisse der ande- ren Religionen. Als Saladin nach Ägypten kam, wo sein Vater al-‘Ādil noch herrschte, stand die Gesellschaft unter dem Einfluss des vorigen schiitischen Kalifats der Fatimiden. Al-Kāmil ließ die sunnitische Orthodoxie in Ägypten und im Jemen wiedereinführen. Einige zeitgenössi- sche Chronisten wie al-Maqrīzī , sagten über ihn: „Al-Kāmil liebte die Gelehrten (des Koran) und hörte von ihnen die Traditionen des Propheten; und er selbst lernte einige … ihm ist der Bau der al-Kamiliyah Schulen zur Pflege der Tradition in Kairo zu verdanken.“ Sultan Sultan Johannes von Brienne, König von Jerusalem (1210) und Kaiser von Konstantinopel (1229), Benozzo Gozzoli, S. Francesco Montefalco. © Petrus Schüler
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