Im Land des Herrn | 74. Jahrgang | 2020 - 1
1/2020 33 gie, in biblischen Kommentaren usw. Das brach- te ein deutliches Wachstum des koptisch-ägyp- tischen Mönchstums in der Zeit der Ayyubiden mit sich. Die Aufmerksamkeit und das Einfühlungsver- mögen des Sultans gegenüber seinen christli- chen Dienern zeigt sich vor allem in zwei Episo- den der Geschichte der koptischen Kirche. Das unbesetzte Patriarchat in Alexandrien Der erste Fall geschah anfangs 1216, als der Pat- riarch von Alexandrien, Yu ˙ hannā VI. starb. In der Hierarchie der koptischen Kirche hatte es ein gewisses institutionelles Chaos gegeben, ver- ursacht unter anderem durch Parteilichkeit und persönliche Interessen. Nach dem Tod des Patriarchen konnte sich die Synode nicht eini- gen, einen gemeinsamen Nachfolgekandidaten zu finden, so dass das Patriarchat Alexandriens vakant blieb. Der mächtigere und ehrgeizigere unter den Anwärtern war Dā‘ūd ibn Yu ˙ hannā ibn Laqlaq al-Fayyūmī , ein innerhalb der Synode gut positionierter Mönch, der aber über die erforderliche Unterstützung zum Gewinnen der Wahl nicht verfügte. Die Gruppe, die ihn unter- stützte, bat Sultan al-‘Adīl um seine Anerken- nung, da der Regierende den neuen Patriarchen nach dem damaligen Gesetz im Orient anerken- nen musste. Der Sultan entsprach dieser Bitte und unterschrieb eine Ernennungserklärung. Viele empörten sich über diese Ernennung von Dā‘ūd ibn Laqlaq sehr. Die Gegner versammelten sich mit einer großen Menschenmenge in Kairo und baten al-Kāmil , er solle intervenieren. Tat- sächlich durfte nach der eigenen kanonischen Tradition keiner als Patriarch ohne Zustimmung per Akklamation der Gläubigen anerkannt werden. Die Volksakklamation war der norma- le gesetzliche Wahlvorgang eines Patriarchen. al-Kāmil sah die anwesende Menschenmenge und stellte fest, dass die Anerkennung von ibn Laqlaq ohne Volksakklamation stattgefunden hatte. Besonders zu erwähnen ist, dass Dā‘ ūd ibn Laq- laq an diesem Tag zum Patriarchen geweiht werden sollte. al-Kāmil ging zu seinem Vater und überzeugte ihn davon, die Weihe sofort abzusagen. In den nächsten Jahren wurde kein Kandidat mit der notwendigen Unterstützung der christlichen Gemeinde gefunden; infolge- dessen blieb das Patriarchat fast zwei Jahrzehn- te vakant. So konnte in dieser Zeit auch keine Bischof- und Priesterweihe in der koptischen Kirche gespendet werden. Allmählich nahm der Überdruss selbst in der Hierarchie zu. Endlich akzeptierten die Kopten die Wahl von Dā‘ ūd , der dann als Cyrilos III. ibn Laqlaq (1235–1243) geweiht wurde; Malik al-Kāmil war im Jahr 1235 Sultan und erkannte ihn an. Der Fall einer Bekehrung und der Rekonversion Ein zweiter Fall zeigt die positive Einstellung von al-Kāmil und sein Interesse an den Angelegen- heiten der Christen ganz deutlich. Es handelt sich um einen heiklen Fall, der um das Jahr 1212 stattfand. Als al-Kāmil noch nicht Sultan war, hatte sich ein koptischer Mönch zum Islam bekehrt; später beantragte er die Rekonversion zum Christentum; al-Kāmil genehmigte ihm dies. Die christlichen Quel- len aus dieser Zeit porträtieren al-Kāmil als einen gerechten Herrscher gegenüber den Nicht-Muslimen, aber vor allem als besonders aufmerksam gegenüber den koptischen Mön- chen. Nach den jüngsten historischen For- schungen waren Bekehrungen von Christen zum Islam und deren spätere Rückkehr zum Christentum häufiger als man bisher vermu- tete. Die Bekehrung zum Islam brachte eini- ge Vorteile mit sich, u. a. die Befreiung von der dimma (Steuer der Christen) und zusätzliche Finanzvergünstigungen für die Muslime. Ein Großteil der Bekehrungen war nicht ehrlich, d. h. geschah nicht auf Grund der religiösen Überzeugung. Daher waren Rekonversionen nicht ungewöhnlich. Sultan Sultan
RkJQdWJsaXNoZXIy NDQ1NDk=