Im Land des Herrn | 74. Jahrgang | 2020 - 1
IM LAND DES HERRN 34 1/2020 In der „Geschichte der Patriarchen“ wird erzählt, wie ein Mönch Namens Yu ˙ hannā , der zum Kloster St. Makarios gehörte, in Gegenwart von al-Kāmil sich zum Islam bekehrte. al-Kāmil war zu jener Zeit Vizekönig Ägyptens. Nach der Bekehrung gewährte er ihm ein Amt in der Ver- waltung. Drei Jahre später trat Yu ˙ hannā vor al-Kāmil und bat ihn um die Rückkehr zum Christentum, da er zum monastischen Leben zurückkehren wollte. Logischerweise löste das ein großes Ärgernis aus, da nach islamischem Gesetz ein Abfall vom Islam mit dem Tod bestraft wurde. Yu ˙ hannā hatte eigentlich etwas fast Unmögliches gewagt: vom islamischen Herrscher die Erlaubnis zur Rekonversion zu erbitten. Es ist zu erwähnen, dass es bei den Ayyubiden stets eine traditionelle Toleranz in solchen Fäl- len gab. Nach den lateinischen Quellen musste der aus Cordoba stammende Philosoph Mošeh ben Miamon (Maimonides) wegen der Intoleranz der Almohaden eine Bekehrung zum Islam fin- gieren, als er in der marokkanischen Stadt Fez lebte. Zurückgekehrt nach Kairo, lebte er dort wieder als bekennender Jude. Ein Maghrebi- ner erkannte ihn in Kairo und beschuldigte ihn der Apostasie. Die unter Saladin in Kairo regie- renden Ayyubiden sprachen ihn von jeglicher Schuld frei, da er seinen Glauben verheimlichen musste, damit er dem Todesurteil entkommen konnte. Wie seine Vorgänger wollte al-Kāmil die Todes- strafe über den Konvertiten nicht verhängen; er brachte vor, dass die Bekehrung ohne aus- reichende Grundkenntnisse des Islam statt- gefunden habe; nach drei Jahren habe er keine innere Motivation zum Bleiben im neuen Glau- ben gehabt, darum durfte er in das monasti- sche Leben zurückkehren. Sehr wahrscheinlich gestattete al-Kāmil die Rekonversion nicht ein- fach als eine Rückkehr zum Christentum, son- dern nur für den Fall des Zurückkehrens zum monastischen Leben. Auf diese Art wollte er kei- nen Präzedenzfall schaffen; er beschränkte sich mit dieser Ausnahme nur auf die Mönche. Für al-Kāmil hatten die Angelegenheiten der Chris- ten einen besonderen Platz unter seinen Interes sen und Beschäftigungen und er genoss daher einen guten Ruf als gerechter Richter unter den Christen. Der Sultan und der Heilige Richten wir jetzt unseren Blick auf das Jahr 1219, konkret auf den 27 Tage dauernden Waffenstill- stand vom 29. August. Bis zu dieser Zeit galt: Wer dem Sultan den Kopf eines Kreuzfahrers über- reichte, bekam von ihm einen Bezant (bizanci- um) , eine Münze aus Gold. Bruder Illuminatus und Bruder Franzis von Assisi nutzten den Waf- fenstillstand, um ins feindliche Gebiet zu gelan- gen. Dort wurden sie festgenommen; sie baten darum, vor den Sultan gebracht zu werden. In den „Franziskanischen Quellen“, und zwar in der ersten Biographie des Thomas von Cela- no (1 C 57), in der Legenda Maior Bonaventuras (LM 9,8), im Brief des damaligen Bischofs von Akkon, Jakob von Vitry (c. 32,14), in der Chronik von Ernoul (Ern 37), eines Chronisten des fünf- ten Kreuzzugs und bei anderen späteren Autoren wird dieses Ereignis erwähnt. Unsere Aufmerk- samkeit gilt aber dem Mann, der den heiligen Franziskus gastfreundlich aufgenommen hatte. Wir wollen versuchen, ihn besser zu verstehen. Daher lassen wir die Zitate aus den franziskani- schen Quellen außer Betracht. Franziskus wurde vor Malik al-Kāmil geführt. Die beiden Männer führten miteinander ein Gespräch. Hier können wir uns fragen: In wel- cher Sprache konnten sich beide verständigen? Das wird nirgendwo erwähnt. Wurde vielleicht teilweise arabisch gesprochen? Bruder Illunina- tus soll sich wenigstens zwei Jahre in Akko auf- gehalten haben, sodass er vielleicht über Grund- kenntnisse der arabischen Sprache verfügte. Aber vielleicht ist auch eine andere Erklärung möglich: Der Sultan beherrschte einige roma- nische Sprachen, vielleicht einen italienischen Dialekt wegen der Handelsbeziehungen zu Venedig. Natürlich kann die französische Spra- che auch in Betracht gezogen werden, da Malik
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