Im Land des Herrn | 74. Jahrgang | 2020 - 1

4 1/2020 enn wir uns für das Todesjahr Jesu inte- ressieren, haben wir im Neuen Testa- ment einige allgemeine Angaben, die es erlauben, das Jahr einzugrenzen, und wir haben eine Datumsangabe: Jesus wurde an einem Pesach-/Pascha-Fest, das auf einen Freitag fiel (so die „synoptischen“ Evangelien, also Matthäus, Markus und Lukas), gekreuzigt oder am Tag vor einem Pesach-Fest, ebenfalls an einem Freitag (so das Johannesevangelium). Keines der Evan- gelien nennt freilich ein Jahr. Zur allgemeinen Eingrenzung stehen uns diese Angaben zur Verfügung: Die Amtszeit des Pon- tius Pilatus (26–36 n. Chr.); der Beginn der Tätig- keit Johannes’ des Täufers (Lk 3,1): „im fünfzehn- ten Jahr der Regierung des Kaisers Tiberius“ (28/29 n. Chr.); die Altersangabe Jesu zu Beginn seiner öffentlichen Wirksamkeit „etwa dreißig Jahre“ (Lk 3,23); die 46-jährige Bauzeit des Tem- pels (Joh 2,20; Baubeginn: etwa 20 v. Chr.) sowie die Bekehrung des Paulus (etwa 34 n. Chr.). Auf ein präzises Jahr kommt man dadurch nicht; die ersten und letzten Amtsjahre des Pilatus sind unwahrscheinlich. Die Datumsangaben der Evangelien Vielversprechender scheinen die Datumsanga- ben der Evangelien. Entscheidet man sich für eines der beiden Daten, kann man so argumen- tieren: Wenn ich ein Datum, eine Wochentags- angabe und einen eingegrenzten Zeitraum habe, kann ich daraus das Jahr berechnen. Ich finde beispielsweise auf dem Dachboden einen Brief, über dem steht: Sonntag, den 8. Juni 196#; bei der letzten Ziffer des Jahres ist die Tinte verlau- fen. Daraus kann ich ableiten, dass dieser Brief im Jahr 1969 geschrieben wurde, denn in jenem Jahrzehnt fiel dieser Tag nur in diesem Jahr auf einen Sonntag. Auf den ersten Blick sind wir beim Todesjahr Jesu in einer ähnlichen Situation: Pesach ist am 15. Nisan; der Monat Nisan ist der erste Früh- lingsmonat und er beginnt, wie jeder jüdische Monat, mit dem neuen Mond. – Das Pesach-Fest wird also am ersten Frühlingsvollmond gefeiert, daher feiern wir bis heute Ostern am Sonntag nach dem ersten Frühlingsvollmond. Unterschiede zwischen den Evangelien Wie erwähnt, machen die Evangelisten verschie- dene Angaben. Für diese Unterschiede gab und gibt es mehrere Erklärungen, ohne dass man eine allgemein anerkannte Lösung gefunden hätte. Alle vier Evangelien bezeichnen den Tag der Kreuzigung Jesu auf Griechisch als paraskeué . Dieses Wort bedeutet „Vorbereitung“. Im Neuen Testament kommt es ausschließlich in den Pas- sionserzählungen vor. Die übliche jüdische Bezeichnung für den Frei- tag ist „Sabbats-(Vor-)Abend“ oder „sechster Tag“ (so bis heute in Israel), der Ausdruck „Vorberei- tung“ kann als „Vorbereitung(stag des Sabbats)“, Der jüdische Kalender und das Todesjahr Jesu Gregor Geiger OFM W

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