Im Land des Herrn | 74. Jahrgang | 2020 - 2

IM LAND DES HERRN 10 2/2020 Erscheinungskapelle. Das ist ein weiteres Indiz dafür, dass es sich um eine Mauer der konstan- tinischen Basilika handelt und nicht um (ältere) Teile von Kaiser Hadrians Bauten. Wie kommt es dazu, dass bei allen sichtbaren archäologischen Relikten im Alexander-Hospiz keine Klarheit herrscht? Nun, die Geschichte der Grabungen und der Deutungen ist lang und kompliziert, im Grunde genommen erscheinen hier die meisten im späten 19. Jahrhundert täti- gen Forscher: Conrad Schick, Wilson, Conder, Clermont-Ganneau. Abschließend ist es L.-H. Vincent, der versuchte, allem eine Deutung zu geben. Ein schwieriges Unterfangen, denn in Jerusalems Altstadt wird jede noch so kleine Grabung schnell zu einer gefährlichen Aktion. Was wir aber mit einiger Sicherheit sagen kön- nen, ist, dass es sich um den östlichen Abschluss des Komplexes der Grabeskirche handelt, und so haben wir eine Vorstellung der ursprünglichen Ausmaße. Und wir können an dieser Stelle ein- mal mehr die Abschüssigkeit des Geländes nach- empfinden: Wir befinden und einige Meter unter dem Niveau der heutigen Grabeskirche. Alle anderen sichtbaren Teile sind in ihrer Funktion unklar. Gleich neben dem Stück Mau- er öffnete sich eine Tür, die Schwelle ist noch vorhanden. In der Auffassung der russischen Besitzer handelt es sich dabei um die Gerichts- pforte, die Porta Judicalis . Mit anderen Worten: Es solle sich hier um die Pforte handeln, durch die Jesus die Stadt auf dem Weg zur Kreuzi- gung verließ. Es ist dies eine gutgemeinte aber nicht zu beweisende Interpretation, denn es gibt dafür einfach keinerlei Indizien. Wie dem auch sei: Diese Türschwelle ist hoch verehrt, es bren- nen ständig Ampeln und man findet fast immer orthodoxe Pilger im Gebet. Etwas salopp könnte man sagen: Als im 19. Jahrhundert verschiedene ausländische Nationen (und damit auch deren Kirchen) Interesse am Heiligen Land und den heiligen Stätten hatten, war „der Kuchen schon Mauer der konstantinischen Anlage.  © Petrus Schüler

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