Im Land des Herrn | 74. Jahrgang | 2020 - 2
2/2020 23 Es wurden über 20 Inschriften gefunden, die vor allem an den gut bearbeiteten Steinen angebracht wurden, welche Türen oder Fenster abschließen, auf Fensterstürzen und Laibungen, aber auch an anderen geeigneten Oberflächen. Deren Machart ist verschieden; es gibt sowohl flüchtige Inschriften wie auch solche die sich durch eine gewisse Eleganz auszeichnen. Immer sind es Namen (auch Familiennamen) und Her- kunftsorte die uns hier begegnen. In nicht weni- gen Fällen ist es möglich, diese Pilger anhand eines Buches zu identifizieren, in dem die Fran- ziskaner registrierten, welche Pilger im Konvent aufgenommen wurden. Dieses Buch, welches sich heute im Zentralen Archiv der Kustodie des Heiligen Landes befindet, hat den schö- nen Namen „Navis Peregrinorum“ (auf deutsch „Schiff der Pilger“) und die Eintragungen der Jahre 1561 bis 1695 wurden schon von einem deutschen Franziskaner publiziert: B. Zimolong, Ein Pilgerverzeichnis aus Jerusalem von 1561 bis 1695, Köln 1938. Über dem mittleren Bogen der südlichen Mauer dieses unterirdischen Raumes kann man rechts den sehr verbreiteten Namen MICHAEL lesen; jedoch links erscheint der Name R·LULIOT·P, den wir in dem besagten Buch „Navis Peregri- norum“ in einem Eintrag unter dem Datum des 13. November 1610 finden: „Magister Robertus Luliot Presb. Dioec. Ambianensis“ . Auf der Rückwand, auf einem zum zweiten Male benutztem Stein, erscheint die schwer lesbare Inschrift ANGLUS – zu übersetzen mit „Eng- länder“. Pilger aus England kamen in großer Zahl nach Jerusalem, auch nach der Kirchen spaltung. Der größte Teil der auffälligsten Inschriften, über einem kleinen Fenster gelegen, enthält groß- formatig angebrachte Namen. Bei der ersten dieser Inschriften, deren Buchstaben teilwei- se beschädigt aber noch gut lesbar sind, lesen wir: „ARENT·GEBHART·STAMER“ . Das Pilgerver- zeichnis berichtet uns von seiner Anwesenheit, gemeinsam mit einigen Gefährten, am 7. Oktober 1615: „D.Wolfgangus Gulielmus Lamminger de Albernreuten nob. Boemus, qui, et hic respuit sec- tam Luteri Saxonis./ D. Christophorus Perbant de Urbe Regiomontana Borussus./D. Martinus Opa- chowsky Regiomontanus Borussus./D.Arnoldus Gebhardus Stamer Saxo“. Alle diese Pilger kommen aus deutschen Gebie- ten und wenigstens der erste ist wohl Lutheraner, da wenigstens hier nichts auf eine Konversion hinweist, die aber im Laufe des Dreißigjährigen Krieges erfolgte. Interessant ist in diesem Zusam- menhang, dass Ferdinand II, Kaiser des Heiligen Römischen Reiches und eifriger Förderer des Katholizismus, ebendiesen Wolfgang Wilhelm Lamminger aufgrund dessen politischer und militärischer Unterstützung im Dreißigjährigen Krieg mit Datum vom 15. Februar 1623 in den Reichsfreiherrenstand erhob. Die anderen Reise- gefährten erscheinen jedoch nicht bei unseren „Graffitis“. Unser Pilger Stamer oder Stammer – der Name erscheint in verschiedenen Varianten – hat einen recht genauen Bericht seiner Reise ver- fasst, in dem er die Franziskaner ausdrücklich lobt für die Art der Aufnahme der Pilger: „…die- se München haben uns grosse Freundschaft und Dienste bewiesen ungeachtet dass wir ihres Glau- bens nicht waren denn sie es wenig in diesen Landen achten. Sie versahen uns wohl mit essen und Trinken Betten und allen was uns nötig war reisten mit uns aus die Heiligen Örter zu zeigen dingten Kerle und Esel die uns führten das wir also wenig Mühe hatten.“ Es folgte der Ritus der Fußwaschung an den Pilgern und eine Ansprache eines (deutschen) Paters; darauf folgte die Frage, ob die Pilger beichten und kommunizieren wollen. Die Reak- tion darauf zeugt von Toleranz: „darauf denn ein jeglicher seine Antwort täte“ . Beichte und Kom- munion waren nötig, wie der deutsche Pater in seiner Ansprache erinnert, „sollten auch beden- cken zu was Ende wir solche weite und gefähr- liche Reise nicht vergebens täten…“ Hier geht es um die Ablässe, die den Pilgern aufgrund ihrer Pilgerreise gewährt wurden, die den Lutheranern aber gleich waren. Inschriften Inschriften
RkJQdWJsaXNoZXIy NDQ1NDk=