Im Land des Herrn | 74. Jahrgang | 2020 - 2

2/2020 35 Johann Fahrngruber Johann Fahrngruber hier wiedergegeben werden soll, denn der Ablauf ist bis heute grundsätzlich gleichgeblieben: Am Vorabende Christi Himmelfahrt behängen die Franziskaner die Innenwände (Anm.: der Moschee) mit Stoff; zwei Tragaltäre werden aufgestellt und ein Harmonium. Die Fussstapfen des Herrn werden mit Lichtern umstellt, und mit frischen Blumen bestreut. Draussen im Hofe errichtet man Zelte zum Schutze gegen die Nachtluft; denn viele Ordensbrüder ver- weilen die Nacht oben, und viel Volk mit ihnen. Das Harmonium wurde mittlerweile durch eine elektronische Orgel ersetzt, aber die Tragaltäre gibt es noch und auch die drei großen Zelte: ein Zelt dient als Sakristei, ein Zelt wird als Küche benützt und ein weiteres Zelt ist der „Divan“ bzw. das Refektorium, wo die Mitbrüder und einige Besucher zwischen den Got- tesdiensten eine Mahlzeit zu sich nehmen können. In der Nacht wird der Divan dann zum „Dormitorium“, also zum Schlafsaal für die Mitbrüder Sakristane und arabische Hel- fer. Von Mitternacht an werden stündlich hl. Messen gefeiert auf den besagten beiden Trag- altären – jeweils in der Kapelle und im Hof. Was sich jedoch grundlegend geändert hat, ist die Atmosphäre. Schreibt unser Autor noch: Kaffeesieder walten ihres Amtes, Brot- und Früchtestände an allen Ecken; kurz, für körper- liche Bedürfnisse, arabischen Lärm, Hundegebell ist gesorgt… In der Gegenwart ist es eher eine festlich-reli­ giöse Stimmung die man in der Nacht vor Christi Himmelfahrt auf dem Ölberg erlebt. Christliche Gemeinden aus dem ganzen Land kommen wäh- rend der Nacht in Gruppen, ummit ihren Priestern die Messe zu feiern und um die Moschee in Pro- zession zu umrunden. Waren es damals noch „die Christen aus Bethlehem, Bethdschala, St Johann im Gebirge etc. die sich zum Feste einfinden, fehlen diese Christen heute fast gänzlich: aus „St. Johann im Gebirge“, also Ain Karem mussten die Christen fliehen. Und Betlehem wie Bet Jala liegen hinter der unseligen Mauer eingesperrt. Am Abende noch wird die Vesper gesungen, in der Nacht das Matutinum. Das Sternenzelt ist in sei- ner ergreifenden feierlichen Klarheit ausgespannt, und unter uns liegt, in Nacht gebettet, die Stadt, von deren Häusern die beleuchteten Fenster selbst auch wie die Sterne schimmern. Das Kreuz der Grabes- kirche … erstrahlt dann auch hochfestlich in die Dunkelheit hinaus. Zu dieser Feier sei noch zu erwähnen, dass auch Griechen, Syrier, Kopten und Arme- nier eigene Zelte im Innenhof errichten, natürlich abhängig vom orientalischen Kalender. In diesen Zelten werden ihre Gottesdienste gefeiert, das Pri- vileg dafür die Moschee und ihre Außenwände zu benutzen haben jedoch nur die Franzis- kaner, die sich dieses Recht im 18. Jahrhundert „erkauften“: die Gegenleistung bestand damals noch in einem Mit- tagsmahl für alle Einwohner des (damals kleinen) Dorfes, welches von der Klosterküche von St. Salvator bestritten wur- de. Der Autor spricht schon von 200 Einwohnern und mittlerweile ist die Ein- wohnerschaft auf 18.000 Einwohner angewachsen; so hat sich das Mittagsmahl in eine (moderate) „Bakschisch“-Summe gewandelt, die jeweils an den Moscheevorstand gezahlt wird. Wie es für ein Reisehandbuch zu erwarten ist, wer- den viele praktische Informationen gegeben; Hilfe konnte der Pilger einmal in den Klöstern erwarten – die großen Pilgerhäuser waren erst am Entstehen – und „in den Consulaten“ . Für Reisen außerhalb der Stadt Jerusalem werden beduinische Führer empfohlen, die am besten mit Schwierigkeiten auf

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