Im Land des Herrn | 74. Jahrgang | 2020 - 2

IM LAND DES HERRN 36 2/2020 demWege zurechtkämen. Hören wir, was das Reise- handbuch für einen Besuch in Jericho rät: Von der Eliseusquelle bis ins heutige Dorf Jericho ist ½ St. Die Locanda (der Wirth ein lateinischer Araber aus Jerusalem), liegt westlich ausserhalb. Wer dort einzukehren wünscht, soll früher acco- dieren, denn „noble Herrschaften“ dürften sonst für Abendessen, Quartier und Frühstück ½ engl. Pfund bezahlen müssen. Im Uebrigen ist die Herberge leid- lich. Man kann es auch im russischen Hospize ver- suchen; das Gebäude wurde erst vor Kurzem voll- endet. Es enthält ganz anständige Räumlichkeiten, und die Haushälterin kann mitgebrachte Esswaren zubereiten; über Reis, Eier, Thee und Schnaps kann sie selber verfügen, aber im Dorfe Jericho ist´s oft schwer, Hühner, Milch u. dgl. aufzutreiben, beson- ders in vorgerückter Jahreszeit… Das Dorf hat… nichts Merkwürdiges, es sei denn die totale Verkom- menheit selber… Ein dräuender Wall von trocke- nen Dornen bildet die heutigen Mauern von Jeri- cho. Schade um den so schönen Namen! … Auf die abendlichen, zuweilen unverschämten Tänze und Gesänge der weiblichen Jugend, womit sich diese vor Karavanen zu produciren sucht, kann man füg- lich verzichten. Mit dem Besuch des „Dorfes“ Jericho (erwähnt wer- den 300 Einwohner) wird ein Besuch an der Tauf- stelle Jesu am Jordan verbunden, der scheinbar als recht gefährlich angesehen wurde: Das Baden selbst ist mit Gefahren verbunden, weil der Fluss reissende Stellen und bedenkliche Wurzelverschlingungen enthält. Auch hat man im Frühjahre nicht zu vergessen, dass die geschmolze- nen Schneemassen (sic!), die der Jordan mit sich führt, auffallende Erkrankungs- und Sterbefälle an unvorsichtig Badenden schon verursacht haben. Früher nahm daher ein Franziskanerbruder immer zugleich eine Grabschaufel mit, um bei eventuellen Unglücksfällen als Todtengräber zu funktionieren. Lobt Fahrngruber noch die Frauen der Stadt Bet- lehem für ihre schönen Trachten, fällt sein Urteil wenig vorteilhalt für die Frauen von Gaza aus: Die arabischen Frauen haben zum Theil schon ägyptische Kleidung mit der komischen Schleier- maskerade, die der Nase eine rüsselgleiche Ver- längerung gibt, während eine andere Gesichtsver- hüllung einem vorgebundenen Futtersacke nicht unähnlich ist. Wieder erstaunlich gut hat sich der Autor über die Gegebenheiten bei den „Lateinern“ in Jerusalem informiert: Grosse Sorge machen die vielen armen lateini- schen Familien namentlich in Jerusalem, wo die Mehrzahl Gratiswohnung haben in Häusern, die dem Franziskanerorden gehören; jährlich wer- den 70–100.000 Brode verteilt; Unzählige warten täglich auf die Klostersuppe und unentgeltliche Medicinen… Die eingebornen Katholiken scheinen dadurch in nicht unbedeutendem Grade verwöhnt, arbeitsscheu und untüchtig geworden zu sein. Dieses Problem, welches Johann Fahrngruber schon vor 140 Jahren beschreibt, ist erst in der jüngsten Geschichte der Kustodie kritisch in den Blick genommen worden. Dem Orden gehören allein in der Altstadt um die 450 Wohnungen bzw. Häuser, die von den Brüdern im Laufe der Jahr- hunderte erworben wurden um den lateinischen ChristenWohnraum zu schaffen. Die ungute Praxis hat die lateinischen Christen in der Tat verwöhnt und untätig gemacht. In den letzten Jahren wurde diese Praxis geändert und nun haben alle Mieter auch nach ihren Möglichkeiten einen entsprechen- den Mietbetrag zu entrichten. Auf der anderen Sei- te gibt es heute ein großes Problem mit jüdischen Siedlern, die allen nur irgendwie verfügbaren Raum in der Altstadt aufkaufen wollen – und das auch mit Hilfen amerikanischer Juden können. Ich war sechs Jahre im Ökonomat beschäftigt und in all diesen Jahren ist es uns gelungen, zwei (!) Häu- ser neu zu erwerben – ein Erfolg. Den Auftrag, den die Franziskaner im Heiligen Land haben – die Sorge um die heiligen Stätten, die „alten Steine“ und die Sorge für die „lebendigen Steine“, nämlich die Christen des Landes, diesen Auftrag beschreibt Fahrngruber sehr gut, wenn er schreibt: Alle diese Bestrebungen dienen zum Beweise, dass die Katholiken nicht blos die „todten Steine der Sanctuarien“, sondern auch lebendige Bausteine des Reiches Gottes zu schätzen wissen.“

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