Im Land des Herrn | 74. Jahrgang | 2020 - 3
3/2020 15 Spinges und Bozen Spinges und Bozen geser Berg hinan und rastete am Ölberg unter den großen Föhren. Noch heute laden dieselben neben dem Stöckl schattenspendend zur Rast ein. Pfarrer Stocker war hochbefriedigt, wieder in sei- nem Seelsorgeort eingelangt zu sein. In Gedan- ken versunken, nahm er noch einmal die von Jerusalem mitgebrachten Pläne zur Hand und sichtete sie aufs neue. Bald würde er mit dem Bau beginnen können. Er legte die Papiere neben sich auf den Boden und schaute hin übers weite Land. All diese Dörfer würde sein einzigartiger Bau grü- ßen, und unzählige Pilger mochten nach Spinges kommen, um sich an seinemWerke zu erbauen. Der Teufel aber, der schon lange gegen den Bau der Kapelle gewesen war, nützte die Geistesab- wesenheit des Pfarrers und stahl die Pläne. Alles Suchen war vergeblich, und es blieb dem Pries- ter nichts anders übrig, als eine zweite Reise nach Palästina anzutreten. Das Unheil wollte es aber, daß ihm auch diesmal auf der Heimreise die Pläne verlorengingen. So trat der unermüdli- che Pfarrer eine dritte Fahrt nach Jerusalem an. Diesmal brachte er die Zeichnungen glücklich bis nach Spinges und konnte mit dem Bau, der uns in seiner Eigenart noch heute überrascht, beginnen. (Quelle: Fink, Hans, Eisacktaler Sagen, Bräuche und Ausdrücke. Schlern-Schrift Nr. 164, Inns- bruck 1957, S. 116.) Georg Stocker wurde 1641 in St. Lorenzen gebo- ren, studierte in Brixen und wurde 1663 zum Priester geweiht. Im Jahre 1679 kam der junge Priester als Kurat nach Spinges und begann dort ein sehr segensreiches Wirken. Man würde ihn heute als „charismatischen Priester“ bezeichnen, denn er zog Menschen von weither an. Wir wis- sen, anders als in der Entstehungssage berich- tet, nur von einer Pilgerreise nach Jerusalem im Jahre 1682. Von dort brachte er Pläne für den Bau einer Heilggrabkapelle mit, die er in den fol- genden Jahren verwirklichte. Schauen wir uns den Baukörper an: Parallel zur Pfarrkirche steht der etwas eigenwillige Bau, der im Inneren den Nachbau des Jerusalemer Grabes umfasst. Die mit Holzschindeln gedeckten Dächer werden von zwei Dachreitern gekrönt. Dazu kommt ein außergewöhnlich schöner Schmuck im Dach bereich: Zehn Engel aus weißem Marmor tragen die Leidenswerkzeuge des Herrn. Ein Engel trägt einWappenschild mit dem Jerusalemer Kreuz. Das Innere der Kapelle gliedert sich in zwei Räume: einmal die Vorhalle und dann der dem Original in Jerusalem sehr ähnliche Raum des Hl. Grabes, wie dort in „Engelskapelle“ und eigentliche Grabkammer untergliedert. In der Vorhalle öffnet sich ein Umgang um die Grabkapelle herum; in den Nischen künden Propheten des Alten Testaments vom bevorste- henden Leid des Gottessohnes. Auch die „Engels- kapelle“ hat die Passion Christi zum Thema; im Scheitelpunkt öffnet sich die niedrige Tür zur Grabeskammer und dort findet man rechts eine Grabeshöhle, die mit einem Altar des Auferstan- denen abschließt. Engelsfigur mit Jerusalem-Kreuz. © Petrus Schüler
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