Im Land des Herrn | 74. Jahrgang | 2020 - 3
IM LAND DES HERRN 28 3/2020 heißung. Obwohl das Neue Testament in einer rätselhaften Stelle (Apg 7,16) Sichem als Grab- stätte der Patriarchen angibt, griff die christliche Tradition bald die alttestamentlich-jüdische Überlieferung auf. Schon der Pilger von Bor- deaux kam nach Hebron und notierte „ein vier- eckiges Steindenkmal von wunderbarer Schön- heit“, der Pilgerin Aetheria zeigte man „das Haus des Jakob“, wo eine Kirche ohne Dach errichtet worden ist, und 50 Schritte davon sogar das „Grab des hl. Kaleb“. Schon das Steindenkmal beim Pilger von Bordeaux lässt an ein jüdisches Grabmonument denken, beim Grab des Kaleb wird die jüdische Herkunft offenkundig: Chris- ten hätten kaum den „hl. Kaleb“ einbezogen. Am meisten Aufschluss verdanken wir dem Pilger von Piacenza (um 570 n. Chr.): „Da ist eine Basilika mit vier Säulenhallen errichtet, im mittleren Atrium ungedeckt (die Kirche ohne Dach der Aetheria!); mitten hin- durch läuft eine Schranke und von der einen Seite treten die Christen ein, von der anderen die Juden, und bringen viel Weihrauch dar.“ Es war also ein christliches und jüdisches Simul- tanheiligtum. Über die erste arabische Periode (ab 639) sind wir nicht gut unterrichtet. Man kann annehmen, dass nun die Muslime die Oberhand hatten, ohne aber Juden und Chris- ten ganz zu verdrängen. Auf den Fundamen- ten der byzantinischen Basilika errichteten die Kreuzfahrer eine neue Kirche, übertrugen sie den Augustiner-Chorherren und nannten den heiligen Bezirk Kastell zum hl. Abraham . Man erfährt durch Rabbi Benjamin von Tudela (um 1170), dass Juden über eine Treppe in die Höh- le hinuntersteigen konnten und dass sich dort unten Körbe mit Knochen von Juden befanden, die bei den Patriarchen begraben sein wollten. Auch damals erlaubte man also noch ande- ren Abrahamssöhnen, das Heiligtum zu besu- chen. Nach dem Sieg Saladins 1187 änderte sich die Situation. Die Kirche wurde Moschee und Blick in die Moschee, gut erkennbar die Kreuzfahrer-Struktur. © Petrus Schüler
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