Im Land des Herrn | 74. Jahrgang | 2020 - 4

IM LAND DES HERRN 10 4/2020 beleuchtet oder den Tempel Salomons und den Tempelberg schildert, den er als Christ bei Todes­ strafe nicht betreten durfte. Er beobachtet alles ganz genau, beschreibt die heiligen Orte, misst sie mit den damals üblichen Maßen Schritt, Elle und Fuß. Auch geht er auf die Gottesdienste, Andachten, liturgischen Bräuche und Prozessio­ nen ein und zitiert sogar mehrmals die dabei ver­ wendeten Gebete, Lieder und Hymnen. Übrigens erweist sich der einfache Bruder als erstaunlich bibelfest, wenn er immer wieder Bibelstellen aus dem Alten und Neuen Testament anführt. Der Pilgerbericht des Franziskanerbruders Joseph Schwaiberger von 1730 ist eine wahre Fundgrube für die Geschichte der Pilgerreisen vergangener Tage. Ich halte ihn für einen rohen, ungeschliffenen Edelstein, der nach einer behutsamen Bearbeitung zu strahlen beginnt. Er ist ein weiterer Baustein für die Erforschung der Wallfahrten nach Rom und ins Heilige Land und gibt tiefe Einblicke in das Leben und Wirken der Franziskaner in Italien und Palästina. Auszug aus dem 10. Kapitel – „Weihnachten in Betlehem“ Im Folgenden soll Bruder Joseph Schwaiberger selbst zu Wort kommen, wenn er von den Feier- lichkeiten in Betlehem berichtet. Die beigefügten Fotos geben jedoch die Feierlichkeiten am Drei- königstag 2020 wieder, damit der Leser auch von diesem Feiertag einen Eindruck hat. Die anderen historischen Bilder stammen aus dem „Album Missionis Terrae Sanctae“ und geben den Zustand der heiligen Stätten am Ende des 19. Jahrhunderts wieder. Mit was für Andacht die HeiligeWeih- nachtszeit zu Betlehem gehalten wird Bei herzunahender Weihnachtszeit wird ein Teil der großen Kirche, welche über dem Ort der Geburt Christi sich befindet – von welcher schon eine Anmerkung getan wurde –, diese Kirche ist gegen den Hochaltar hin untermau­ ert. Also wird der vordere Teil auf das heilige Fest mit Tapeten umhangen, und darauf wer­ den viele Maien (künstlicher Blumenschmuck) gestellt und mit Lichtern vermischt, so dass fast bei allen Gottesdiensten etwa hundert Lichter brennen. Denn neben der täglichen Advents­ andacht werden neun Tage vor Weihnachten bei anbrechendem Tag neun Engelämter gehalten mit Aussetzung des Allerheiligsten Sakraments. Denn auch in dieser Kirche befindet sich eine Orgel und unter dem Hochaltar ein Chor, worin man auch die Horen verrichtet wie in der Kirche der Heiligen Katharina. Während diesen neun Ämtern werden auch neun Predigten vor dem Hochaltar gehalten, denn man hat zu Jerusa­ lem, Betlehem und anderen Orten keine Predigt­ stühle (Kanzel). Diese neun Predigten geschehen in unterschiedlichen Sprachen, nämlich in Ara­ bisch, Welsch (Italienisch), auch Spanisch und Französisch. Und obzwar auf das heilige Katha­ rinenfest (25. November) viele Franziskaner von Jerusalem und S. Johannis nach Betlehem kommen, gehen doch die meisten wiederum in ihre Klöster zurück. Und solche und noch mehr Eine der wenigen Zeichnungen in Schwaibergers Schrift.  © Bayerische Staatsbibliothek München

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