Im Land des Herrn | 74. Jahrgang | 2020 - 4

4/2020 25 tag des Seligen – fertiggestellt werden. Man kann sich vorstellen, dass die Lage des Bauplatzes auf über 2000 Meter Höhe eine gewaltige Heraus­ forderung war; am 24. Juni 2013 mussten bei­ spielsweise die Arbeiten wegen 30 Zentimeter Neuschnee eingestellt werden. Am 22. Septem­ ber 2013, 186 Jahre nach dem Tauftag des Seli­ gen wird die Granatkapelle auf dem Penken ein­ geweiht. Alle sind gekommen: Architekt Mario Botta mit Gattin Maria, die örtlichen Architek­ ten und Künstler, die Verantwortlichen der „Zil­ lertaler Gletscherbahnen“ – der Ort ist für den Besucher nur zu Fuß oder mittels der Bergbahn zu erreichen – die Handwerker und viele Mit­ wirkende und Berater des ehrgeizigen Projek­ tes. Mehrere Geistliche vollziehen die Weihe der Kapelle und richtungsweisend sind die Worte von Dekan Niederwieser, wenn er sagt: „Jeder von uns ist wie ein Granat, der erst geschliffen werden muss, um zum vollen Glanz zu kommen. Die Frage ist, ob wir uns von IHM schleifen las­ sen. Dann werden wir erkannt in unserer gött­ lichen Herkunft und Bestimmung, wie die Gra­ natkapelle von weitem erkannt wird. Auch zum Widerspruch werden wir manchem werden, wie die außergewöhnliche Form der Kapelle.“ Als Kontrapunkt zur Natur setzt Botta einen überdimensionalen Kristall in Form eines Rhombendodekaeders auf einen Felsvorsprung östlich des Speichersees Penkenjoch. Speziell in den Bergen ist die Wahrnehmung verstärkt, sagt Mario Botta, und ein Stück purer Geometrie wie diese Kapelle hilft dabei, die Natur, die Land­ schaft, den Himmel und die Atmosphäre besser zu lesen. Kommen wir nun zum Inneren des Bauwerks: beim Eintritt befindet man sich im Unterge­ schoss, wo unauffällig eine Sakristei eingebaut wurde. Zugleich ist dieser Raum eine Vorberei­ tung und Einstimmung auf den eigentlichen Sakralraum im Obergeschoss: hier werden einige Votivgaben zu Ehren des Seligen gezeigt, etwas von ihm selbst und seinem Leben erzählt, hier gibt ein Gästebuch die Möglichkeit, dass sich Besucher äußern; und das wird rege genutzt, sind doch schon viele dicke Bände beschrieben worden. Eine Treppe führt hinauf zur Kapelle und schon tritt man förmlich in eine andere Welt ein. Boden, Wände und damit Decke sind voll­ ständig mit schmalen Lärchenholzlatten aus­ gelegt – auch jetzt nach Jahren verströmt das Holz seinen Duft und gibt dem Innenraum eine edle und doch heimelige Atmosphäre. Die verschiedenen Wandflächen sind nur von zwei Lichtquellen unterbrochen: ein kleines Kreuz über dem Altar und eine runde Fensteröffnung inmitten des Raumes. Die Form der Wandflä­ chen und diese Lichtquellen konzentrieren den ganzen Raum auf den Mittelpunkt: den Altar und ein Bildnis des seligen Engelbert. Schon die Form des Altars wurde ganz bewusst gewählt: ein erster Entwurf mit einem blockähnlichen Altar wurde verworfen: der Block hätte die Linien des Granatkapelle Granatkapelle Altar, Mosaik und Fensteröffnung.  © Petrus Schüler

RkJQdWJsaXNoZXIy NDQ1NDk=