Im Land des Herrn | 75. Jahrgang | 2021 - 1

1/2021 17 hin, dass die Gläubigen auf der Seite des Son- nenunterganges den Raum betreten und in Richtung Osten vorwärts schreiten, in der spiri- tuellen Richtung jedes Jüngers des Sohnes Got- tes, der wahren aufgehenden Sonne. Die Lage genau über dem Ort, wo Jesus das Licht der Welt erblickt hat, ist die wahre Daseinsberechtigung des Heiligtums. Vermutlich war es möglich, die Grotte durch ein verglastes Rundfenster zu sehen, ohne dass man hinuntersteigen musste. Eine Balustrade aus Stein trennt den Chor vom Mittelschiff. Der Altar auf der Estrade ist ebenfalls achteckig. Wie in Jerusalem bei der Auferstehungsbasilika befindet sich vor der Geburtsbasilika ein vier- kantiges, nach oben offenes Atrium. DerWiederaufbau der Geburtskirche durch Justinian imVI. Jahrhundert Während der ersten Hälfte des VI. Jahrhunderts verwirklichte der Kaiser Justinian mehr als eine bloße Verbesserung des Heiligtums. Er errichte- te auf demselben geosteten Grundriss eine neue Kirche, die noch schöner als die von Jerusalem sein sollte. Der Chor ist nicht mehr achteckig sondern kleeblattförmig mit einer Apsis auf jeder der drei Seiten, was sie viel weiträumiger macht. Der Altar ist viereckig, steht aber immer noch über dem System der ursprünglichen Grot- ten. Das Mittelschiff ist durch eine doppelte Säu- lenreihe verengt, jedoch um 3 m länger dank einem zusätzlichen Joch. Das Dach besteht nun- mehr aus drei Dachflächen. Dem Atrium ist im Westen ein geschlossener Vorhof mit einer ein­ fachen dreitorigen Fassade vorgesetzt. Der ganze Komplex vermittelt eine Vorstellung von den Menschenmengen, die hier die Geheim- nisse der Kindheit Jesu feierten: Geburt, Epi- phanie und Kindermord zu Betlehem sowie das Gedenken an alle Ereignisse, die mit der Heiligen Familie in Verbindung stehen. Ein kleines, im rechten Winkel zur Nordflanke stehendes Gebäude, diente zur Beherbergung der Pilger. Die Umgestaltung durch die Kreuzfahrer im XII. Jahrhundert Die Kreuzfahrer des XII. Jahrhunderts ver- liehen Betlehem ein ganz anderes Aussehen, kamen sie doch aus Westeuropa, wo die Bau- stile von denen des Orients völlig verschieden waren. Blieb auch der Grundriss unverändert, so wurden die nördlichen und südlichen Apsi- den zu den beiden Armen eines Querschiffs, wie sie alle gotischen Kirchen aufweisen. Das Dach ist in der Mitte deutlich erhöht, damit das Mittelschiff in seiner gesamten Länge besser beleuchtet wird. Über dem Westeingang erhebt sich ein Turm. An der Nordseite steht in nord- südlicher Rich- tung eine Kapelle, die Basilika ist von einer festen Umfriedung aus hohen Mauern umgeben; in der westlichen Ecke erhebt sich ein robuster viereckiger Wachturm. Das konstantinische Atrium und der justinianische Narthex wur- den geschleift und durch einen halbof fenen Hof ersetzt , was die Feier großer Zeremonien sowie den Zugang für die Ritter Geburtsbasilika Geburtsbasilika VI. Jahrhundert © Raffaella Zardoni

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