Im Land des Herrn | 75. Jahrgang | 2021 - 1

IM LAND DES HERRN 26 1/2021 Die Frauen in Ehren In der letzten Gruppe sind Frauen dargestellt, und zwar sieben an der Zahl. Auf der Doppel­ säule 11/12 finden sich die drei Marien: Maria Magdalena, Maria Salome und Maria, die Mutter des Jakobus, die beim Tod und der Auferstehung Jesu abgebildet sind. Leider sind ihre Bilder trotz Restaurierung fast völlig unkenntlich. Eine weitere Frau des Neuen Testaments, die heilige Anna (28), ist die Mutter Marias, die sie auf ihrem Arm sitzend hält, wie auch oft Maria mit dem Jesuskind dargestellt ist. Nach Kühnel beginnt die wirkliche Verehrung der Heiligen Anna im Abendland erst mit dem XII. Jahrhun­ dert und wäre in gewisser Weise auf die Kreuz­ züge zurückzuführen. Mögen uns die Frauenfiguren aus dem Neuen Testament auch hinreichend bekannt sein, so sind uns die übrigen auf den Säulen von Betlehem dargestell­ ten Frauen unbekannt. Obwohl Fusca (22) auf einer der zentralen Säulen abgebil­ det ist schaut sie nicht auf den heiligen Johannes den Evan­ gelisten (10). Währen alle Male­ reien nach Norden oder nach Süden bl icken schaut Fusca nach Westen. Bei ihrer Darstel­ lung hat der Künstler als Zweit­ farbe für ihren braunen Mantel imWesentlichen die natürliche Farbe des Steins verwendet . Der delikate Faltenwurf ihrer Kleidung ist somit in schönem Goldbraun gehalten. Die Bewe­ gung ihrer Hände und die blin­ den Flecken auf der Malerei lassen vermuten, dass irgendein Gegenstand gelöscht wurde. Es könnte das Schwert sein, mit dem sie das Martyrium erlit­ ten hat, wie man es auf anderen Darstellungen sehen kann, oder ein Kreuz, wie es bei der nächsten Heiligen sichtbar ist. Nach Kühnel soll die heilige Fusca im Orient unbekannt sein. Der Tradition nach soll sie jedoch in Libyen geboren sein, wo sie auch im Jahr 250 das Martyrium erlitt, da sie sich gewei­ gert hatte, dem von ihr selbst gewählten Chris­ tentum abzuschwören. Es handelt sich dabei um eine Tradition, die sich in europäischen mittelalterlichen Manuskripten findet. Sie wurde in der Lagune von Venedig ver­ ehrt, und zwar auf der Insel Torcello, wo eine ihr geweihte Kirche aus dem XI. Jahrhundert steht. Vergleicht man die Darstellung der Fusca mit der daneben stehenden Marina Margareta von Antiochien (30), so springen die Ähnlichkeiten der Komposition ins Auge, wenn auch die Farbgebung sehr ver­ schieden ist. Links vom Heili­ genschein steht der Name Mari­ na auf Griechisch, rechts der Name Margareta auf Lateinisch. Diese beiden Namen findet man auch auf der Säule 23, aber die Malerei ist völlig verblasst. Es ist der einzige Fall in der Geburts­ basilika, wo es zwei Ausführun­ gen gibt, es sei denn, es handelt sich um eine andere Marina Margareta, da mindestens drei Heilige dieses Namens existie­ ren. Margarete von Antiochien starb gegen 305 als jungfräuli­ che Märtyrerin, da sie sich wei­ gerte, einen gewissen Olybrius – seines Zeichens Gouverneur –zu heiraten (was nur allzu ver­ ständlich ist). Aberma l s be s teht hi er e ine Verbindung zum Glauben der Kreuzfahrer. Für die Kunsthistoriker stellt sich hingegen die Frage, woher d i e Küns t l er s t ammen und welcher ihr Glaube war. Alle Fusca (22).  © Christian Piaccenti

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