Im Land des Herrn | 75. Jahrgang | 2021 - 1

1/2021 27 Gewänder haben eine byzantinische ikonogra- phische Basis, weisen aber da und dort eindeu- tig westliche Elemente auf, wie zum Beispiel die Manipel der Diakone, die sie einmal, wie es rich- tig ist, rechts, einmal links tragen, was ein Irrtum ist, der einem abendländischen Künstler wohl kaum unterlaufen wäre. Schließlich spürt man hier sehr genau zwei Schulen, die sich in Betlehem zur Zeit der Kreuzzüge zu einem für Palästina typischen Stil vermischt haben könnten, es sei denn, die Byzantiner hätten eine Zeitlang in Europa – wahrscheinlich in Süditalien – gelebt. Mangels Texten kann man beliebig viele Vermutungen anstellen, man wird jedoch nicht müde, sich die Details anzuschauen, hat man die Basilika ein- mal betreten. Und für Ihren nächsten Besuch, ein guter Rat: Bringen sie ein Fernglas mit. Geburtsbasilika Geburtsbasilika Fresken und Malerei: Wenn hier und dort das Wort Fresko verwendet wur- de, so geschah dies aus sprachlicher Bequemlich- keit, technisch jedoch ist der Ausdruck ungeeignet. Typisch für das Fresko ist, dass die Malerei auf einer feuchten Putzschicht aufgetragen wird. Auf den Säu- len der Geburtskirche von Betlehem ist die Malerei direkt auf den polierten Stein aufgetragen. Diese Technik hat gewisse Vorteile: Sie ist ökonomischer, vor allem aber sind die Farben lebhafter, da sie nicht von der Putzschicht absorbiert werden. Hingegen ist die Erosionsgefahr wesentlich größer. Allem Anschein nach handelt es sich um Ölmalerei, jedoch sind von den laufenden Untersuchungen noch genauere Hinweise zu erwarten. Aber der Künstler von Betlehem hat es verstanden, die natürliche Far- be des polierten Steins auszunützen, gleichsam wie die Farben bei der Ausführung seiner Zeichnungen, sei es hinsichtlich der Hautfarbe der Figuren sei es hinsichtlich der Farbe gewisser Faltenwürfe, eine Arbeit, die möglich war, wie es scheint, da er die Hei- ligen vor der Farbgebung großzügig skizziert hat. Die Botschaft der Geburtsbasilika Claire Riobé Die Übersetzung aus dem Französischen besorgte Dr. FriedrichWally s gibt kein einziges Schriftstück aus der Zeit der Kreuzfahrer, das die Gründe für die Auswahl der Ausschmückung der Geburtsbasilika erklären würde. Betrachtet man aber die Themen der Mosaike und die Auswahl der Heiligen, so kann man daraus Schlüsse ziehen, die einige Vorurteile über die römisch-katholische Kirche im Mittelalter im Heiligen Land über den Haufen werfen. Dennoch hat die Basilika nicht alle ihre Geheimnisse preis- gegeben. E Bruder Stéphane Milovitch (geboren 1966) kennt Betlehem genau. Er hat zwei Jahre lang seiner franziskanischen Ausbildung dort absolviert. Er hat alle Bücher gelesen, die die Gelehrten der Kustodie über das Heiligtum geschrieben haben. Er ist anerkannter Führer für die Wallfahrten, ja er war sogar drei Jahre lang der Superior der örtlichen Franziskaner, ihr „Guardian“ in der Sprache der Kustodie. Seiner Meinung nach enthalten die Säulen „eine sehr deutliche ökumenische Botschaft“. Man muss nur lernen, sie zu lesen. „Die Besucher der

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