Im Land des Herrn | 75. Jahrgang | 2021 - 1
1/2021 29 ur selten tauchen weitere ältere Berichte von Palästina-Pilgern über ihre Erlebnisse und Erfahrungen im Heiligen Land auf. Die meisten sind bereits bekannt und veröffentlicht. Bis jetzt wusste man von den Aufzeichnungen des einfachen Franziskanerbruders Joseph Schwai- berger, der sich von 1724 bis 1727 im Heiligen Land aufgehalten hat, eigentlich nichts. Eine Zeit- lang galt seine Handschrift sogar als verschollen. Er hat so ziemlich alle Heiligen Stätten, die den Christen zugänglich waren, nicht nur besucht, sondern dort auch gebetet, Ablässe gewonnen und sie beschrieben. Er ging aber noch weiter: Er hat auch die Liturgie und Riten der Feiertage genau beobachtet und das Leben, die Sitten und Bräuche der dortigen Bevölkerung aufgezeich- net. Eine kleine Kostprobe seiner Eindrücke über das Weihnachtsfest in Betlehem konnte ich im 4. Heft des 74. Jahrgangs (2020) der Franziskani- schen Zeitschrift „Im Land des Herrn“ vermitteln. Bruder Joseph Schwaiberger stammt aus einer frommen Handwerkerfamilie in der Bischofs- stadt Freising und wurde am 17. August 1670 auf den Namen Bernhard getauft. Er starb am 21. November 1747 in München. Schon als Kind verspürte er den Wunsch, die Wirkungsstätten Jesu Christi kennenzulernen. Deshalb besuch- te er immer wieder Pater Franziskus Muttner († 1687) im Freisinger Franziskanerkloster, der sich drei Jahre lang in Jerusalem aufgehalten hatte und sogar eine Zeitlang Präses beim Hei- ligen Grab war, und ließ sich von ihm über das Leben der dortigen Franziskaner erzählen. Acht Mal versuchte der junge Schwaiberger vergeb- lich, in den Franziskanerorden aufgenommen zu werden. Endlich wurde er mit 23 Jahren einge- kleidet. 1694 konnte er die ewige Profess ablegen. Er erhielt den Ordensnamen Joseph. Die Sehnsucht nach dem Heiligen Land ließ ihn nicht los. Aber er konnte seinen Wunsch nicht erfüllen, denn immer wieder gab es Hindernisse. Kurz entschlossen schrieb Bruder Joseph 1723 einen Brief an den neu gewählten Generalminister Lorenzo Cozza de S. Lorenzo in Rom und bat ihn um Erlaubnis, nach Rom und Jerusalem reisen zu dürfen. Der Generalminister schickte ihm sofort die Obedienz. Doch daheim ließ man ihn nicht reisen. Als die zweite Obedienz vom 22. Januar 1724 eintraf, die Bruder Joseph am 5. Februar in Altötting erhielt, machte er sich sofort auf den Weg nach München und traf am Dienstag, 8. Feb- ruar, im dortigen Franziskanerkloster ein. Hier bekam er seine nötigen Reisepapiere und den Reisesegen. Schon einen Tag später, am 9. Februar, begann er mit dem Eremitenbruder Martinus aus der Nähe von Landshut, der ihn bis Rom begleite- te, die Pilgerreise. Er war damals 54 Jahre und sie- ben Monat alt und dreißig Jahre im Orden. Über den Brenner, Assisi, Rom und Padua kam er nach Venedig und fuhr mit dem Schiff nach Palästina. Am 15. Juli 1724 erreichte er Accra (Akko) und somit die lang ersehnte „Terra Wie der Franziskanerbruder Joseph Schwaiberger die Karwoche und das Osterfest in Jerusalem erlebte Rudolf Goerge N
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