Im Land des Herrn | 75. Jahrgang | 2021 - 1

IM LAND DES HERRN 30 1/2021 Sancta“. Als nach über drei Jahren sein Aufent- halt in Palästina zu Ende ging, besuchter er im Mai und Juni 1727 noch einmal zum Abschied alle Heiligen Stätten. Am 14. Juli spendete ihm der Pater Guardian den Reisesegen, und am Sonntag, 15. Juli 1727, ging es endgültig wieder nach Hause. Weil Bruder Joseph kein Reisegeld annehmen wollte, gaben ihm die Mitbrüder als Andenken zahlreiche Rosenkränze und kleine Kreuze mit auf den Weg. Mit einer Karawane zog er nach Joppe (Jaffa), und von dort segelte er mit einem Schiff nach Venedig, um schließlich wieder zu Fuß über den Brenner nach München zu wandern. Hier traf er am 23. November 1727 abends „mit Untergang der Sonne und Sperrung des Tors“ im Kloster ein. Er war – nach eigener Berechnung – drei Jahre, neun Monate und fünfzehn Tage von daheim fort gewesen. Zur ständigen Erinnerung hatte sich Bruder Joseph in Jerusalem an beiden Armen tätowie- ren lassen, wie es „Brauch bei den Franziska- nern und Pilgern“ war. Mit einer Schablone ließ er sich die Orte, die er besucht hatte, unter die Haut stechen. Im Münchner Franziskanerkloster durfte er seine Erlebnisse und Eindrücke der Pilgerreise niederschreiben und 1730 vollenden. Daraus ist ein stattlicher Band von 747 Seiten mit dem Titel „Geistliches Angedenckhen“ geworden. Im Zug der Säkularisation 1802/1803 wurde seine Hand- schrift der Bayerischen Staatsbibliothek einver- leibt. Dort wird sie in der Handschriftenabtei- lung unter der Signatur cgm (Codex Germancius Monacensis) 2968 aufbewahrt. Die verschlüsselte Angabe des Verfassers auf dem Titelblatt „ANNO DOMINI M:DCC:XXX. Per F: J: S: F: L: P: B:“ deu- te ich folgendermaßen: Per Fratrem Josephum Schwaiberger Franciscanum Laicum Provinciae Bavaria (verfasst „im Jahre des Herrn 1730 durch Bruder Joseph Schwaiberger Franziskaner-Laie der Provinz Bayern“). Ob’s wirklich stimmt, kann ich nicht sagen. Im Folgenden lassen wir Bruder Joseph Schwai- berger selbst berichten, wie er die Karwoche in Jerusalem erlebt hat. 1. Die große Prozession in der Kirche des Heiligen Grabes Im 5. Kapitel des 4. Teils (S. 416–421) berichtet Bruder Joseph über die Prozessionen, die zwölf Mal im Jahr und vor allem am Karsamstag in der Grabeskirche abgehalten werden. Besonders bemerkenswert ist die ausführlich geschilderte Prozessionsordnung. Ein Reverendus Pater ist ein hochwürdiger Pater. Mit dem immer wieder genannten Reverendissimus („der Höchstehr- würdige“) ist der Guardian des Heiligen Grabes gemeint, der sogar die bischöflichen Insignien (Brustkreuz, Ring, Mitra) tragen durfte. Statt des Bischofsstabes hielt er den Baculus Orientalis. „So viel ich habe angemerket, geschieht fol- gende Prozession das Jahr hindurch zwölf Mal, dass man von dem Kloster Salvator in die große Kirche, die über das Allerheiligste Grab Christi gebaut ist, hierher gehet. Man pfleget diese Pro- zession insgemein einen Einzug zu nennen, wel- cher also anfangt bei dem Mittagessen an dem Vorabend eines Heiligenfestes oder aber an dem Samstag in der Osterfasten (Karsamstag). Allda werden von dem Reverendo Patre Chorista (Cho- ralist) abgelesen diejenigen, die bei dem Einzug und der Prozession etwas zu verrichten haben, welche sich zuvor in die Kirche des Heiligen Grabes begeben. Und dort wird alle Anstalt von Reverendo Patre Magistro Ceremonii (Zeremo- Christliche Pilgertatoos.  © MAB Kustodie

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