Im Land des Herrn | 75. Jahrgang | 2021 - 2
IM LAND DES HERRN 10 2/2021 von der Wüste an den Jordan begeben, dem Volk geprediget und viele Tausend in dem Jor dan getaufet, sondern auch Christum selbst in dem Jordan getaufet hat. Deswegen hat die Hei lige Helena ein schönes Kloster an den Jordan erbauen lassen, von welchem aber anjetzo nur eine eingefallene Mauer zu sehen ist. Das Wasser des Jordans scheinet trüb zu sein. Wenn es aber aus dem Fluss geschöpfet wird, so ist es klar wie ein Kristall und wird von den Christen viel (häu fig) in die christlichen Länder gebracht, das man auch zur christlichen Taufe gebraucht.“ Von türkischenWächtern und orthodoxen Christen Besonders gefährlich war zur Zeit des Bruders Joseph der Besuch der Heiligen Stätten auf dem Ölberg. Weil arme Araber, ob Christen oder Moslems, die Pilger überfielen, gaben türki sche Wächter – natürlich gegen entsprechende Bezahlung – Geleitschutz. Schwaiberger nennt die Begleiter „Duzelmänner“; damit meint er wohl „Muselmänner, Muselmanen“. Höchst erstaunt ist Bruder Joseph über die Freundlichkeit des türkischen Aufsehers bei der Himmelfahrtskapelle, der den Franziskanern stets freien Zugang zur Kapelle gewährte und das Heiligtum in sauberem Zustand hielt. Unser Pil ger fand keinerlei „Spinweckhen (Spinnweben) oder anderes Unreines“ vor. Für seine Dienste erhielt der türkische Wärter Geld und Lebens mittel, Kerzen und Tabak („towackh“) von den Franziskanern. Bruder Joseph merkt besonders an, dass die orthodoxen Christen zwar die Him melfahrtskapelle besuchen durften, aber ihre Gottesdienste im Freien halten mussten, wie dies heute noch der Fall ist. Das Kapi tel endet mi t der Erwähnung des abendlichen Stundengebets. Der Marienhymnus „O gloriosa Virginum“ des Venantius Fortuna tus und der „Engel des Herrn“ beschließen die Feier. Dann konnten sich die Brüder im Stehen mit frischemWasser aus der Zisterne erquicken und zur Stärkung Früchte, Gurken (bairisch: „gugumber“) und Oliven genießen. Endlich fol gen noch die Mette, die Heiligen Messen am frühen Morgen und der nochmalige Besuch der Heiligen Stätten. Dieser letzte Teil unseres Kapi tels wird in unserer Handschrift auf den Seiten 458 bis 461 beschrieben: „In Besuchung der Heiligen Orte auf dem Ölberg und in Heiliger Betrachtung der gegenwärtigen und entfernteren Landschaft geschieht solches sammentlich in Begleitung der Muselmanen (‚Duzelmänner‘). Und es darf nit ein jeder hin gehen, wohin er will, wegen großer Unsicher heit. Denn auf diesem Heiligen Berg wohnen arme, verwegne und feindliche Christen, bei denen sich auch zurzeit in dieser Gegend gott lose Araber aufhalten. Deswegen wird durch gro ße Bezahlung eine türkische Wacht bestellt, die meiner Zeit zu Fuß und Pferd war, welche die ganze Nacht von Ankunft, als wir Franziskaner dahin gekommen sind, bis zu unserer Abreise verblieben sind, wie dann dieser Heilige Ort und Kapelle in Gewalt eines Türken ist, welcher doch meiner Zeit mehr ein liebreiches als ein verteu felischtes Herz gehabt hat, wie leider die Türken gegen die Christen haben. Denn neben dem, dass dieser Türke nit allein für die Seinigen diesen Heilige Ort rein und sauber gehalten hat, so hat er uns römische katholische Christen jederzeit das Jahr hindurch, sooft wir gekommen sind, mit großer Liebe den schönsten, allezeit versperrten Ort aufgemacht. Mit Verwun derung hab ich allezeit gefunden und gesehen, wie sauber und ausgekehrt er war. Keine Spinn weben oder anderes Unreines war allda zu sehen. Obzwar dieser Türke eine zeitliche Belohnung empfängt in Geld von dem Prokurator, in anderer Schenkung gibt man ihmWeißbrot, Wachskerzen, Nadeln, Tabak und Früchte etc. Hinzu kommt, dass er diese Heilige Kapelle rein und sauber hält und bewahret. Wenn wir aber dahin kommen in großer Hitz und Durst, was fast jederzeit gesche hen ist, hat er oder die Seinigen uns jederzeit fri sches Wasser aus seiner Zisterne gebracht. Und obschon dies zuzeiten zwei oder drei Mal geschah, waren sie doch alle Zeit willig und bereit.
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