Im Land des Herrn | 75. Jahrgang | 2021 - 2
2/2021 11 Nun wollen wir uns aber wiederum mit unse ren Gedanken in die Heilige Kapelle begeben. Denn zum Beschluss desselbigen Tages wird der Hymnus ‚O gloriosa Virginum‘ gesungen und mit einem kleinen Handglöcklein nach dem Ablass gebet mit ausgespannten Armen das Zeichen ,Angelus Domini etc.‘ gegeben, alsdann die Kol lation genommen unter einem aufgeschlagenen Zelt auf dem grünen Platz innerhalb der Mauer. Nit allein aber ist während dieser Zeit kein Tisch noch Bank vorhanden, sondern auch die ganze Kollation bestehet in Wasser, das uns der Türke aus seiner Zisterne zu dem Haus heraus tragt. Zu demWasser gibt man Brot und etwas Weniges von Früchten wie Pflaumen, rohe Gurken und Oliven. Es ist auch allda kein Ort zum Schlafen wegen der vielen Personen. Denn nit allein die katho lischen Christen, sondern auch die Griechen, Armenier und andere Ungläubige finden sich allda ein. Obzwar ihnen jederzeit erlaubt ist, in die Heilige Kapelle hineinzugehen und die Allerheiligsten Fußtritte Christi zu verehren, wird ihnen doch nit gestattet, ihren Gottesdienst nach ihrem Gebrauch in der Heiligen Kapelle zu verrichten. Deswegen machen sie außerhalb der Heiligen Kapelle auf dem schon angemerkten großen Platz, welcher doch innerhalb der Mauer ist und gleichsam wie bei uns die Friedhöfe sind, an der Mauer ihre Zelte auf. Und ihr Singen und Geschrei darin währet fast die ganze Nacht. Zudem ist auch auf wenig Schlaf zu hoffen, denn noch vor Mitternacht wird mit einem kleinen Handglöcklein das Zeichen zur Mette gegeben, welche durchaus gesungen wird und sich über zwei Stunden erstrecket. Worauf auf zwei aufge richteten Altären von allen Priestern die Heili gen Messen gelesen werden, bei welchen die Brü der und viele Weltliche kommunizieren. Nach Vollendung der Heiligen Messen wird ein Amt gehalten, das bis an den anbrechenden Tag wäh ret. Nach solchem besucht man noch einmal alle Heiligen Orte, die um diese Heilige Kapelle sind, und gehen alle zugleich in den Konvent Salvator. Denn der Zulauf der schismatischen Christen auf diesen Heiligen Berg ist bei anbrechendem Tag also groß, was ich zuvor nit geglaubt habe, dass in allen, welchen Glaubens es immer war, so viele Seelen in der Stadt Jerusalem waren. Nach dem Mittagessen gehet man gleich wieder an den Heiligen Ort der Auffahrt Christi, allwo die Non, Vesper und Komplet gesungen werden und man wieder, wie den vorigen Tag, in Singung der Allerheiligen-Litanei drei Mal um die Hei lige Kapelle herumgehet, und zwar alle Gegen wärtigen (Anwesenden) mit Lichtern. Und also wird diese Andacht beschlossen. Doch in dem Zurückgehen besucht man alle Heiligen Orte. Besonders gehet man an den Ort, allwo Chris tus über die Stadt Jerusalem geweinet, wo er das Letzte Gericht hat vorgesagt hat (‚Dominus fle vit‘, Lk 19,41–44). Und also gehet man von einem Heiligen Ort zu dem andern, bis zu dem allerhei ligsten Grab Mariae, allwo noch zum Beschluss die Litanei von allen gesungen wird.“ „Mund“ einer Zisterne auf dem Gelände des Heiligtums. © Petrus Schüler Christi Himmelfahrt Christi Himmelfahrt
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