Im Land des Herrn | 75. Jahrgang | 2021 - 2
26 2/2021 5. Januar [1952]: Hassan ‘Aïd kommt noch ein mal und bringt ein Fragment, das er gestern ver gessen habe. Es ist eine Fälschung: mehrere Zei len in ungeschickter hebräischer Quadratschrift [eine mittelalterliche und moderne hebräische Schriftform], die keinerlei Sinn ergeben und die mit moderner Tinte auf ein altes Tierhaut fragment geschrieben worden sind, das nicht beschrieben war. 12. Januar: Mahmud Hsein präsentiert mir eine Fälschung, analog der, die ich von Hassan bekommen hatte. Auch ‘Abed zieht eine aus der Tasche. Ich versichere ihnen, es seien Fälschun gen. Von Fragen bedrängt gibt Mahmud zu, sei ne gekauft zu haben, aber er behauptet, dass er sie von einem anderen Ta‘amre [der Beduinen stamm, zu deren Territorium Qumran gehörte] gekauft hatte, der wie er selbst kaum lesen kön ne, schon gar nicht Hebräisch; das ist für ihn der Beweis der Echtheit. Wer ist der Urheber dieses groben Schwindels? – Es ist mir nie gelungen, es zu erfahren. Zweifelsohne ein Halb-Gelehrter aus Betlehem. Es gab also fast von Anfang an Fälschungsversu che, die aber auf den ersten Blick zu erkennen waren. Um bessere Fälschungen anzufertigen hätte es eines Experten und besserer techni scher Ausrüstung gebraucht. Der Aufwand hätte sich nicht gelohnt. Der damals übliche und mit den jordanischen Behörden abgesprochene Preis für Manuskripte war ein englisches Pfund pro Quadratzentimeter – ein durchaus lohnender Nebenverdienst für einen armen Schafhirten, aber nicht lohnend genug für einen größeren Aufwand. Nebenbei erwähnt: Wären damals bes sere Fälschungen in Umlauf gekommen, könnten diese sicher mit den heutigen technischen Mög lichkeiten erkannt werden. Eine aus heutiger Sicht kuriose Gruppe von Fälschungen sind die sogenannten „(Pseudo-) Moabitica“. Auslöser für deren Entstehung und Vermarktung war die Entdeckung einer echten IM LAND DES HERRN Dhiban (oder Dibon) in Jordanien, Ausgrabungsgebiet und somit Fundort der Mescha-Stele. © Petrus Schüler
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