Im Land des Herrn | 75. Jahrgang | 2021 - 2

IM LAND DES HERRN 12 3/2021 sind.“ Die im Status Quo festgesetzte Aufteilung des Raums und der Zeit und deren Beachtung durch die verschiedenen Konfessionen, die das wichtigste Heiligtum des Christentums verwal- ten, bilden den Kern seiner Aufgabe. Infolge- dessen leitet der Dragoman der Grabeskirche die Schar von Angestellten der Basilika, hilft bei der Vorbereitung der Karwoche und wohnt den wichtigsten Feierlichkeiten bei. Hierfür trifft er sich mit den Mönchen der verschiedenen Kon- fessionen, darunter mit den Franziskanern. „Da ich Tag für Tag mit allen spreche, lerne ich sie besser kennen“, so Jeries. „Ich muss gute Bezie- hungen zu allen haben, sonst könnten nicht alle Aspekte des Status Quo berücksichtigt werden. Wenn es Probleme gibt, können sie so leichter gelöst werden.“ Mit den Zivilbehörden ist es ähn- lich: Jeries ist der Hauptansprechpartner des für die Grabeskirche zuständigen israelischen Polizeioffiziers. Um seinen Dienst auszuüben, muss Jeries wie seine Vorgänger mehrere Sprachen beherrschen. „Meine Muttersprache ist Arabisch. Ich spreche sehr gut Englisch. Mit den Franziskanern habe ich Italienisch gelernt und ich spreche ein biss- chen Französisch und Hebräisch“, erzählt er. Außerdem musste er sich zahlreiche Kenntnisse über die Bräuche in der Grabeskirche aneig- nen. Dafür konnte er auf die Hilfe eines seiner Vorgänger zurückgreifen, der bis zu seinem Tod regelmäßig in der Basilika anzu- treffen war. „Zu Beginn habe ich ihm vor der Karwoche Videos über den Ablauf der Feierlichkeiten in den Jahren zuvor gegeben; er hat sie gründlich analysiert“, erklärt Pater Athanasius. „Ich habe auch mehrere Bücher über dieses The- ma gelesen, besonders am Anfang“, fügt Jeries hinzu. Zwei Haupttu- genden, die für einen guten Dra- goman unerlässlich sind, kommen hinzu: „Man muss geduldig und in der Interaktion mit den verschie- denen Konfessionen vorsichtig sein.“ Es ist unabdingbar, Respekt vor den Ande- ren zu haben, ansonsten ist es unmöglich, gute Beziehungen mit allen Einzelteilen des Mosaiks an Konfessionen und Kulturen zu haben, die die- sen Ort beleben. Der Austausch und die kulturel- le Bereicherung gehören übrigens zu den Aspek- ten, die Jeries an seinem Beruf schätzt. Erfahrung und Kontinuität Als Vermittler zwischen den verschiedenen Par- teien, die vom Status Quo betroffen sind, ist der Dragoman heutzutage eine echte Bezugsperson in der Grabeskirche. „Er verkörpert die Konti- nuität, weil es bei den Brüdern oft Wechsel gibt“, erklärt Pater Athanasius. Bei den Dragomanen gibt es hingegen wenig Wechsel. Innerhalb von 70 Jahren haben nur drei Personen dieses Amt innegehabt. „Der frühere Dragoman, Yacoub, begann seinen Dienst 1949 und ging 1998 in Rente. Bis zu seinem Tod 2006 kam er weiterhin regelmäßig. Er verbrachte also mehr als 50 Jah- re in der Basilika.“ Der Dragoman ist auch einer der wichtigsten Anprechpartner des Kustos der Franziskaner und der Mesner der Grabeskirche. „Sie sind vom Dragoman, dessen Erfahrung und dessen Wissen abhängig“, gibt Pater Athanasius zu. So bleibt auch heute der Dragoman mit- unter der Garant der Rechte der Lateiner in der Grabeskirche. P. Athanasius Macora, der Verantwortliche für den Status Quo im Gespräch mit der Fotografin der Kustodie, Marie-Armelle Beaulieu.  © Custodia

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