Im Land des Herrn | 75. Jahrgang | 2021 - 2
3/2021 15 nach archäologischen Befunden nicht der erste Sakralbau an dieser Stelle und steht mit ihrem kunstvollen Äußeren der Kirche in nichts nach. Etwa in der Mitte des rechteckigen Schiffs vom Erstbau einer Kapelle des ausgehenden 13. Jahrhunderts befand sich unter einem röt- lich gefärbten Estrich ein aus Ziegeln gemauer- tes Grabgewölbe, das an der Vorderseite gänzlich offen war. Die Länge der „Grablege“ betrug einen Meter, zu klein also für einen menschlichen Leichnam. Münzen, die im Umfeld gefunden wurden, lassen auf Opfergaben an dieser Stelle schließen. Demnach kann tatsächlich die kon- sekrierte Hostie als Corpus Christ in dieses Grab gelegt worden sein. Somit zählt Heiligengrabe zu einem ganz besonderen Memorialort des Grabes Jesu Christi zu Jerusalem und ist mehr als eine bloße Kopie, die fromme Pilger nach einer Wallfahrt ins Heilige Land in ihrer Hei- mat anfertigen ließen. Hier wurde der gekreu- zigte und auferstandene Herr in der Gestalt des eucharistischen Brotes verehrt. In Heiligen grabe war er so leibhaft gegenwärtig und konnte angebetet und in der Heiligen Messe empfan- gen werden. Dass Golgatha und das Grab Christi ganz im Mittepunkt des frommen Pilgerinter- esses stand, untermauert noch ein schriftlicher Beleg aus spätgotischer Zeit. Demnach befand sich eine plastische Darstellung des Leichnams Jesu, von Engeln umgeben, über der Stelle des ausgegrabenen und nunmehr sichtbaren Gruft- gewölbes. Was war nun zuerst da? Folgte auf das legenden- haft überlieferte Blutwunder die Klostergrün- dung? War die Wallfahrt also Voraussetzung für die Niederlassung der Zisterzienserinnen auf markgräfliches Geheiß hin oder umgekehrt? Jedenfalls bedeutete den Markgrafen ihre Stiftung viel. Sie lag günstig an der Fernhan- dels- und Heerstraße und diente auch der Betreuung von Reisenden und Pilgern. Der Klosterbezirk war ausgedehnt. Mauerreste und zahlreiche Gebäude markieren bis heute einen aus der eher kargen Umgebung herausragenden Ort. In den 40er Jahren des 16. Jahrhunderts wehr- ten sich die Nonnen erfolgreich gegen die Auf- lösung des Klosters im Zuge der Reformation, wurden allerdings protestantisch, wobei sie ihre alten Gewänder und Riten beibehielten. Der Dreißigjährige Krieg und die Pestepide- mie, ein Kirchenbrand und die Zerstörung der Altäre und der Nonnenempore führten zur vor- übergehenden Unterbrechung der Präsenz der Stiftsdamen in Heiligenrabe. 1742 erhob Fried- rich II. das Kloster zu einem evangelischen ade- ligen Damenstift. 1847 bis 1945 beherbergte das ehemalige Kloster eine Stiftsschule für adelige Mädchen. Bis zu Kaiser Wilhelm II., der 1903 die Ausmalung und Ausstattung der Heiliggrab kapelle veranlasste, blieb die altehrwürdige Klos- teranlage mit ihrer religiösen und kulturellen Ausstrahlung ein Augenstern der Hohenzollern. Gerne verweist man noch heute auf die geistliche Tradition des benediktinisch-zisterziensischen Zum Heiligengrabe Zum Heiligengrabe Inneres der Kirche. © Robert Jauch
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