Im Land des Herrn | 75. Jahrgang | 2021 - 2

IM LAND DES HERRN 26 3/2021 sche Historiengemälde. In seiner Beschreibung des mawsin zu Beginn des 20. Jahrhunderts erklärt der Dominikanerpater und Archäologe Félix-Marie Abel, dass es sich um ein „archäo- logisches Unikum“ handelt, um ein „Relikt sehr alter einheimischer Bräuche […], die uns einen Eindruck der religiösen Volksfeste im Lande Kanaan vermitteln“. Dennoch zeigen die meis- ten dieser Schriften, dass die christlichen Pilger, die nach Jerusalem kamen, um Ostern zu feiern, die Festlichkeiten von Nabi Musa als Aggression empfanden. Die Muslime wurden als „fanatisierte Massen“ „mit grimmigem Blick“ und „religiösen Hochgefühlen, die für Christen gefährlich sein können“ bezeichnet. (Alle Zitate sind dem Buch von Emma Aubin-Boltanski über Salah al-Din entnommen.) Saladin, der Widersacher der Kreuzfahrer, wur- de nach und nach zum Gründer des Heiligtums und zum Verteidiger Palästinas hochstilisiert. Ein Mythos war geboren. Von nun an ging es darum, die Tradition fortzuführen und gegen die Juden zu kämpfen. Der Friedhof Außerhalb des Komplexes befindet sich der Friedhof, auf dem Muslime bestattet wurden, die während eines der Feste verstorben waren oder ausdrücklich den Wunsch geäußert hatten, an diesem heiligen Ort begraben zu sein. Zu den 8.000 Gräbern zählen aber auch die der Sol- daten, die während des Ersten Weltkriegs oder 1967 bei Schlachten in der Nähe gefallen waren. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts begrub ein Beduinenstamm mit dem Namen „Idwân“ auch seine Toten dort. Eine zeitweise ausgesetzteWallfahrt 1917 wehte die osmanische Flagge zum letzten Mal über Nabi Musa, aber die Feierlichkeiten waren damit nicht endgültig beendet: Sie wur- den zum Ausdruck des palästinensischen Natio- nalismus, was die Briten dazu veranlasste, 1937 jegliche Feier zu verbieten. Dieses Verbot wurde während der jordanischen Besatzung aufrecht- Blick in den Innenhof, gut erkennbar die zum Übernachten der Festpilger dienenden Räume. © Fotoarchiv CTS

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