Im Land des Herrn | 75. Jahrgang | 2021 - 2

3/2021 33 Ägypten, bat ihn insgeheim, für ihn zum Herrn zu beten, damit er auf göttliche Erleuchtung hin derjenigen Religion anhangen könne, die Gott mehr gefalle. Dieser Bericht ist vielleicht nicht objektiv im Sinne moderner Geschichtsschreibung und schon bald bildete sich ein Kranz von Legenden um diesen Besuch, aber drei Punkte bleiben beachtenswert: Franziskus geht unbewaffnet zum „Feind“. Er spricht von seinem Glauben an Gott. Es gelingt ihm nicht, den anderen zu „bekehren“, aber die beiden trennen sich in Frie- den und Respekt voreinander. Nach dem Ende des Kreuzfahrerstaats muss- ten zunächst alle westlichen Geistlichen das Land verlassen, auch die Franziskaner. Aber ab 1333 konnten die Franziskaner den Dienst am Heiligen Grab wieder übernehmen und beim Abendmahlssaal ein kleines Kloster bauen. Papst Clemens VI. übertrug ihnen 1342 den Dienst als Hüter der heiligen Stätten offiziell – einen Dienst , den sie seither ohne Unterbrechung innehaben. Der Kustos der Franziskaner in Jeru- salem war jeweils zugleich oberster Repräsen- tant der lateinischen Kirche im Land und hatte bischöfliche Rechte, ohne Bischof zu sein. Die Franziskaner beschränkten ihre Rolle keines- wegs darauf, den Abendmahlssaal und – zusam- men mit den anderen Kirchengemeinschaften – die Kirche des Heiligen Grabes zu erhalten und zu betreuen. 1347 konnten sie sich in Betlehem niederlassen, 1363 erhielten sie den Schlüssel zum Marien- grab. Sie waren bestrebt, auch an anderen Orten des Evangeliums die Kirche präsent zu machen, sobald sich eine Chance ergab. Dies geschah meist in drei Schritten: Jährlicher Besuch oder Prozession zu einer heiligen Stätte – Erwerb des Grundstücks – Bau einer neuen Kapelle oder Kirche bzw. Wiedererrichtung einer alten. So zogen sie beispielsweise bereits seit 1349, wenn es möglich erschien, nach Nazaret zum Fest Mariä Verkündigung, erst 1620 gelang jedoch die Niederlassung. Von Nazaret aus wurde der Berg Tabor angestrebt und dort 1631 ein Grundstück gekauft, 1641 geschah das Gleiche in Kana. Oder schon 1392 konnten die Franziskaner die Getse- manigrotte erwerben, den Getsemanigarten erst 1681; bis der Bau der Basilika möglich wurde, vergingen nochmals 240 Jahre. Gegen Mitte des 19. Jahrhunderts wurde es möglich, an weiteren Stätten des Evangeliums Fuß zu fassen, und die Franziskaner nutzten die Gelegenheiten, die sich boten: die Geißelungskapelle (Flagellatio) in Jerusalem (1836–38), die Lazaruskirche in Beta- nien (1862) oder das (lateinische) Hirtenfeld bei Betlehem (1889), um nur einige zu nennen. Die bedeutendste Neuerwerbung gelang in den Jah- ren 1886–93 mit dem damals noch reichlich spe- kulativen Kafarnaum. Der Kustodie des Heiligen Landes gehören gegenwärtig ca. 260 Brüder aus 40 Nationen an. Sie leben in 28 Konventen in Israel und Palästi- na und in fast genauso vielen in den Nachbar- ländern. Sie betreuen 79 größere und kleinere heilige Stätten, 23 Pfarreien, 14 Schulen, zwei Studienzentren sowie diverse andere soziale und kulturelle Einrichtungen. Der Kustos des Hei- ligen Landes ist nach ungeschriebenem Gesetz immer ein Italiener. Seit seiner Ernennung durch Rom im Mai 2016 hat Francesco Patton dieses Amt inne. 104 Kommissariate (Kommissar heißt eigentlich „Beauftragter“) in 47 Ländern halten den Kontakt zwischen den Franziska- nern des Heiligen Landes und dem Weltorden. Es gibt etwa 250 Franziskaner (teils im Heiligen Land ansässig, teils in ihren Heimatländern), die Pilgergruppen durch das Land begleiten. Welt- weit gehören zum Franziskanerorden ca. 11.000 Brüder in 119 Staaten. Die deutsche Franziska- nerprovinz hat momentan 236 Mitglieder, die österreichische (einschließlich Südtirol) 135, die Schweizer Kustodie 25. 1847 entschloss sich Papst Pius IX. zu einem zukunftsträchtigen, wenn auch umstrittenen Schritt: Er errichtete das lateinische Patriarchat von Jerusalem neu, um die lateinische Kirche in Jerusalem nicht ins Hintertreffen geraten zu lassen. Denn 1842 waren das britische Empire (anglikanische Kirche) und das Königreich Heiliges Land Heiliges Land

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