Im Land des Herrn | 75. Jahrgang | 2021 - 4
4/2021 13 „In jenen Tagen gab es in Israel noch keinen König, jeder tat, was ihm gefiel“ (Ri 17,6). Dem Richter Gideon aus dem Stamm Manasse wurde zwar nach seinem Sieg über die Midiani- ter das Königtum angetragen (Ri 8,22–23), aber Gideon schätzte die Situation wohl richtig ein: Die Efraimiter, Nachkommen Josefs (Gen 41,50– 52), waren neidisch auf den Erfolg Gideons (Ri 8,1–3) und später auf den Jiftachs (Ri 12,1–7). Abimelech, Sohn einer sichemitischen Mutter, strebte in Sichem das Königtum an, doch die Skrupellosigkeit, mit der er seine Brüder aus demWeg räumte, wurde ihm zumVerhängnis. In deutlichen Worten lehnten seine Zeitgenossen dieses Ansinnen Abimelechs und überhaupt die Institution Königtum ab, wie die folgende ironi- sche Erzählung zeigt: Da versammelten sich alle Bürger von Sichem und Bet-Millo, zogen zu der Eiche, die bei Sichem steht, und machten Abimelech zum König. Als man das Jotam meldete, stellte er sich auf den Gipfel des Berges Garizim und rief ihnen mit erho- bener Stimme zu: Hört auf mich, ihr Bürger von Sichem, damit Gott auf euch hört. Einst machten sich die Bäume auf, um sich einen König zu sal- ben, und sie sagten zum Ölbaum: Sei du unser König! Der Ölbaum sagte zu ihnen: Soll ich mein Fett aufgeben, mit dem man Götter und Menschen ehrt, und hingehen, um über den anderen Bäu- men zu schwanken? Da sagten die Bäume zum Feigenbaum: Komm, sei du unser König! Der Fei- genbaum sagte zu ihnen: Soll ich meine Süßigkeit aufgeben und meine guten Früchte und hingehen, um über den anderen Bäumen zu schwanken? Da sagten die Bäume zum Weinstock: Komm, sei du unser König! Der Weinstock sagte zu ihnen: Soll ich meinen Most aufgeben, der Götter und Menschen erfreut, und hingehen, um über den anderen Bäumen zu schwanken? Da sagten alle Bäume zum Dornenstrauch: Komm, sei du unser König! Der Dornenstrauch sagte zu den Bäumen: Wollt ihr mich wirklich zu eurem König salben? Kommt, findet Schutz in meinem Schatten! Wenn aber nicht, dann soll vom Dornenstrauch Feuer ausgehen und die Zedern des Libanon fressen. Wenn ihr also treu und redlich gehandelt habt, als ihr Abimelech ..., den Sohn einer Sklavin, zum König über die Bürger von Sichem gemacht habt, weil er euer Bruder ist ..., dann sollt ihr eure Freu- de haben an Abimelech und er soll seine Freude an euch haben. Wenn aber nicht, dann soll Feuer von Abimelech ausgehen und die Bürger Sichems und Bet-Millos fressen. Und von den Bürgern Sichems und von Bet-Millo soll Feuer ausgehen und Abimelech fressen. Dann machte sich Jotam davon und floh vor seinem Bruder Abimelech (Ri 9,6–21). Jerusalem spielte damals bei den Israeliten noch keine Rolle; es wurde von König David erst um das Jahr 1000 v. Chr. erobert und zur neuen gemein- samen Hauptstadt gemacht. Nach dem Tode Salo- mos (um 930 v. Chr.) formierte sich die Opposi- tion gegen das Jerusalemer Königtum wieder in Sichem. Dort holte sich der Sohn Salomos, Reha- beam, in grandioser Selbstüberschätzung die Absage der Nordstämme an sein Königtum und verursachte damit die Teilung des Reiches (1Kön 12,1–19). Der erste König der israelitischen Nord- Nablus Nablus Jakob auf einer Ikone in der Kirche des Jakobs- brunnens, Nablus. © Petrus Schüler
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