Im Land des Herrn | 76. Jahrgang | 2022 - 1

IM LAND DES HERRN 12 1/2022 museum gehen. Unser Pater hatte nämlich im Hinterkopf, in Freising zusätzlich ein eigenes Missionsmuseum einzurichten. Der Rest sollte an Privatpersonen und an das Erzbischöfliche Knabenseminar verteilt werden, unter anderem die gerahmten Fotos, die gesamten Bücher und der vollständige Abklatsch der Inschrift der Stele von Singanfu, der sich heute in der Dombiblio- thek Freising befindet. P. Erhard wurde in verschiedenen Provinzen eingesetzt, nämlich in Hunan, Honan, Hubei und Schantung. Er hatte zwei Kirchen und ein Waisenhaus gebaut. Nach zweijährigem Kampf mit dem kirchenfeindlichen Bezirks- mandarin konnte er im März 1895 eine Mis- sionsstation in dem christlichen Dorf Wang- Ki a-Ts chuang e inwe ihen . Im Auf t rag de s Bischofs sollte er eine Missionsstation in der Stadt Tai-Ngan aufbauen. Doch daraus wur- de nichts mehr, denn er musste den schwer erkrankten Missionar P. Franz Xaver Betta nach Europa begleiten. Am 18. März 1896 trat er von Schanghai aus die Heimreise an. Eine Rückkehr nach China war von der Ordensleitung nicht mehr erwünscht. Seelsorger in Konstantinopel und Tirol So übernahm P. Erhard daheim mehrere Seel- sorgsstellen in Tirol, bis ihn der Erzbischof von Wien, Kardinal Friedrich Gustav Piffl, bat, nach Konstantinopel zu kommen. Zusammen mit P. Sebastian Großrubatscher (1888–1927) war er von 1916 bis 1918 im europäischen Stadtteil Pera (Beyoǧ lu) an der Franziskaner-Kirche St. Maria Draperis, an der österreichischen Schule und als Seelsorger der Deutschen tätig. Ab 1921 lebte er vor allem in Salzburg. Hier war er Magister der Laienbrüder und Schwesternbeichtvater. Außerdem scheint er ein geschätzter Beichtva- ter bei der Salzburger Bevölkerung gewesen zu sein. Wegen schwerer Krankheit zog er sich in das Kloster St. Anton im Pinzgau zurück, um sich auf den Tod vorzubereiten. Hier hatte er noch Muße, seine Erinnerungen an die China­ mission und die Erlebnisse in Betlehem nie- derzuschreiben. P. Erhard Strobl starb am 25. Jänner 1938. Im Nachruf auf ihn in „Spiri- tus et Vita“ (1938) ist zu lesen: „P. Erhard war ein ernster, manchmal schroffer Mann, auch den Mitbrüdern gegenüber ziemlich verschlossen, deren Gesellschaft er nicht allzu häufig suchte. Alle aber erkannten seinen lauteren Charakter an und sahen in ihm das Muster eines gebetseif- rigen Religiosen.“ „Weihnachten in Bethlehem“ Den wohl schönsten und persönlichsten Bericht hat P. Erhard Strobl über seine Weihnachts­ erlebnisse in Bethlehem vor verfasst. Er ist im „St. Franzisci-Glöcklein-Kalender“ (1923) ver­ öffentlicht. Darüber berichtet P. Erhard: Nach glücklich überstandener Missionsprüfung an der Propa- ganda Fidei zusammen mit einem belgischen Mitbruder „gewährte, ja befahl uns förmlich“ der Generalminister der Franziskaner, Bernardino Trionfetti (1803–1884), der zugleich Kustos des Heiligen Landes war, „einen Abstecher ins Hei- lige Land“ . So reisten die beiden zukünftigen Missionare unter französischem Protektorat am 4. Dezember 1887 mit Schiff „Yangize“ von Mar- seilles aus durch den Suez-Kanal über Port Said nach Jaffa. Am 18. Dezember 1887 betraten sie „in später Morgenstunde den Boden des Heiligen Landes“ . Im Kloster St. Salvator in Jerusalem wurden für die Prim am Heiligen Abend mit der Ankündi- gung des Weihnachtsfestes im Martyrologium „alle sangestüchtigen Brüder von nah und fern, selbst bis von Galiläa, in die Davidsstadt zusam- mengezogen. […] Gesungen und musiziert wur- de freilich ganz nach welscher Weise. Sie trifft aber wohl auch am besten den Geschmack der Levantiner. […] Im Klösterchen zu Bethlehem aber spann sich diese Ankündigung zu einer leibhaf- tigen, schier endlosen Opern-Arie aus unter ent- sprechender Orgelbegleitung“. Den freien Vor- mittag nutzte P. Erhard, um das Hirtenfeld und seine Umgebung zu erkunden.

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