Im Land des Herrn | 76. Jahrgang | 2022 - 1

IM LAND DES HERRN 16 1/2022 Frauengruppe entlang bewegen. In der Geburts- grotte angelangt, wurden die liturgischen Vorbe- reitungen getroffen zum feierlichen Absingen des Weihnachtsevangeliums nach Lukas 2,1–14 durch den Diakon. Nach den Worten ‚Und sie wickel- te ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe‘ (Luk. 2,7) hielt der Sänger inne und tat an dem Bambino nach dem Berichte des Evangeliums.“ Hier erinnert sich P. Erhard an eine ähnliche Begebenheit, als er in Konstantinopel Seelsorger war: „ Dreißig Jahre später, während der Kriegs- zeit traf es mich in unserer Klosterpfarr- und ehemaligen k. u. k. Botschaftskirche von Santa Maria in Pera-Konstantinopel, bei der feier- lichen Krippenlegung nach der Mitternachts- messe inmitten einer dichtgedrängten Menge von Levantinern und Abendländern die gleiche Zeremonie zu halten. Nur mit Mühe gelang es, die eigene Rührung zu meistern und die sinnige Handlung zu Ende zu bringen. Ließe sich die- se rührend schöne Zeremonie einer feierlichen Krippenlegung in der Heiligen Nacht nicht auch bei uns einführen? Jedenfalls sei unseren rühri- gen ‚Krippenfreunden‘ diese Anregung zur Erwä- gung empfohlen.“ Bemerkenswert ist, dass einmal im Jahr im Klos- ter zu Betlehem, nämlich an Weihnachten, wenn der Patriarch am Mittagessen des Konvents teil- nahm, alle Konventmitglieder, „ dem hohen Gast zu Ehren bei Tische vom Stillschweigen entbun- den“ waren. Nach Tisch kehrte der Patriarch nach Jerusalem zurück, um am folgenden Festtag des hl. Stephanus (26. Dezember) die Vesper zu halten. FröhlicheWeihnacht auf den Fluren von Betlehem Nach der Vesper des ersten Feiertags ström- ten viele Menschen zum Hirtenfeld, um dort gemeinsam zu feiern: „Wir Franziskaner, soweit wir dienstfrei hatten, rüsteten uns nach der Ves- per zum gemeinsamen Gang ins Hirtenfeld. Zahl- reiche Gruppen, einheimische wie Fremde, waren bereits vorausgegangen, viele folgten nach, aber Männer und Frauen auch hier stets getrennt. Nach einer kurzen Andacht, gesungener Litanei und der Verlesung des Weihnachtsevangeliums auf Arabisch in der halbverfallenen, von den Griechen geraubten Gloriakirche entwickelte sich ein buntes, frohes Treiben auf den vielbe- sungenen ‚Fluren von Bethlehem‘. Die männliche Jugend unterhielt und vergnügte sich und ihre Zuschauer mit einer landesüblichen Fatasia [?] zu Ross und zu Esel.“ „Die Männerwelt wahrte auch hier Ernst und Würde in angemessenen Gesprächen unter sich und mit uns. Mit uns Fremden freilich wussten sie die günstige Gelegenheit geschickt zu erfas- sen und ihre Devotionalienlager in empfehlen- de Erinnerung zu bringen. Der Handel mit den bekannten Erzeugnissen ihres frommen Gewer- bes hat gar manchen Bethlehemiter ins Abend- land und selbst nach Amerika geführt. So gesell- te sich einer zu mir, der in München sehr wohl Bescheid wusste. Wie sich herausstellte, war es gar der Bürgermeister von Bethlehem selber. Da erfasste ich die Gelegenheit und vereinbar- te mit ihm auf übermorgen einen Ausflug auf den nahen Frankenberg, der mir schon längst in die Augen stach, den ich aber allein wegen der Beduinenlager am Wege ohne die schützen- de Begleitung einer angesehenen Persönlichkeit nicht besteigen durfte.“ „Die Frauenwelt hielt mit ihren Kleinen und Kleinsten in zwanglosen Gruppen die verstreu- ten Felsblöcke, die angrenzenden Steinwälle und die Trümmer der verfallenen Kirche besetzt. Sie unterhielten sich augenscheinlich aufs Beste mit dem Zuschauen und mit herzerfrischendem Geplauder. Für die katholische Frauenwelt des Städtchens ist ja dieser Weihnachtsausflug eine seltene, wenn nicht die einzige Gelegenheit im Jahre, zu froher, gemeinsamer Unterhaltung ins Freie zu kommen. Hie im Freien, im verklären- den Lichte einer morgenländischen Weihnachts- sonne, kam aber auch die ganze Anmut und vielgepriesene Schönheit ihrer Erscheinung, die leuchtende Farbenpracht ihrer Festtracht, sowie der Reichtum ihres Schmuckes so recht erst zur Geltung. Da stellten sich ganz von selber lebendi- ge Krippenbilder und Madonnengruppen ein, die das laute Entzücken jedes Malers und Krippen-

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