Im Land des Herrn | 76. Jahrgang | 2022 - 1

1/2022 25 scheint ursprünglich weiter im Norden gelegen zu haben, bei Bet-El. Aber schon in spät-alt- testamentlicher Zeit suchte und verehrte man diesen Ort in der Nähe von Betlehem. Indem der Evangelist Matthäus diese Raheltradition von Betlehem mit einem Wort des Propheten Jeremia verband, konnte er darin auch den Kin- dermord des Herodes angekündigt sehen. Er schreibt: Damals erfüllte sich, was durch den Propheten Jeremia gesagt worden ist: Ein Geschrei war in Rama zu hören, / lautes Weinen und Klagen: / Rahel weinte um ihre Kinder / und wollte sich nicht trösten lassen, / denn sie waren nicht mehr (Mt 2,18, ein Zitat aus Jer 31,15). Rama liegt zwar ebenfalls im Norden von Jeru- salem, und Jeremia meinte zu seiner Zeit den Schmerz der Stamm-Mutter Rahel über die Toten der Assyrerkriege bis zur Eroberung Sama- rias im Jahre 722 v. Chr. Aber da der Tod und das Grab Rahels inzwischen bei Betlehem lokali- siert wurden (vgl. Mi 5,1 und 1 Chr 4,4), konnte Matthäus gut und gern den alten Jeremiatext in sein Evangelium einarbeiten. Das Rahelgrab bekam seine charakteristische Form als Kuppelbau mit einem Kenotaph (Leer- grab) im Jahr 1841 durch den britischen Juden Sir Moses Montefiore. Bis 1948 war das Rahel- grab ein von Juden und Muslimen gleicher- maßen verehrtes Heiligtum, das dem Status quo unterlag. Vor allem Frauen aller Religionen suchten hier Zuflucht in den Nöten der Schwan- gerschaft. Nach der Teilung des Landes war Juden und Jüdinnen der Zugang zum Heilig- tum verwehrt. Ab den 80er-Jahren wurde es durch eine vorge- setzte Mauer geschützt, jetzt wurde Arabern und Araberinnen der Zugang zunehmend verwehrt. Seit dem Mauerbau ist von der Betlehemer Seite der Zugang völlig versperrt; das Heiligtum – von dem Kuppelbau ist kaum mehr etwas zu sehen – ist rein jüdisch geworden. Rahelgrab Rahelgrab Das Grab der Rahel hinter Mauern und Stacheldraht von der palästinensischen Seite aus  © Petrus Schüler

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