Im Land des Herrn | 76. Jahrgang | 2022 - 1

IM LAND DES HERRN 32 1/2022 Brotbäckerei   © Petrus Schüler nes Auskommen. Er muss sich allerdings jeden Morgen neu einem Arbeitsherrn anbieten. Wäh- lerisch darf er dabei nicht sein, sondern muss zugreifen, wo immer man seine Dienst benötigt: in der Landwirtschaft, im Transportwesen und in Handwerksbetrieben. Der Tagesverdienst eines Tagelöhners beträgt gewöhnlich einen Denar. Da es nicht jeden Tag Arbeit gibt, und da an Feiertagen nicht gearbei- tet werden darf, kommt ein Tagelöhner im Jahr in der Regel nur auf 200 Denare. Diese Summe gilt in Israel als Existenzminimum für eine Familie von fünf bis sechs Mitgliedern, d. h. wer ein jährliches Einkommen von mehr als 200 Denaren hat, darf von der Gemeinde kein Almosen beanspruchen. Um sich die Kauf- kraft dieser Summe zu vergegenwärtigen, muss man wissen: Für einen Denar konnte man in der antiken Welt zwölf Laib Brot zu je 500 g erwer- ben. Bei einer sechsköpfigen Familie reicht also der Jahreslohn dazu aus, für jedes Mitglied 400 Laib Brot im Jahr zu beschaffen. Würde man nur Brot essen, dann käme man pro Per- son auf die bescheidene tägliche Kalorienmen- ge von 1400 kcal. Bei diesem Beispiel sind aber noch nicht die anderen Lebenshaltungskosten mitgerechnet: die Ausgaben für Gemüse, Früch- te und Wasser (das in manchen Gegenden nicht umsonst zu haben war) und nicht zuletzt die Kosten für Wohnung und Kleidung. (Ein Oberge- wand allein konnte 20 Denare teuer sein!) Man sieht daraus: Die Familien vieler Tagelöh- ner bewegen sich trotz harter und z. T. unge- sunder Arbeit an der Hungergrenze. Unter die- sen Umständen ist es besonders tragisch, wenn ein Tagelöhner einen oder mehrere Tage nicht

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