Im Land des Herrn | 76. Jahrgang | 2022 - 2
12 2/2022 bung“ besaß, die man ihr im Fall des Todes ihres Mannes oder im Fall einer Ehescheidung aus- zahlen musste. Rechte und Pflichten einer Ehefrau Von der Hochzeit ab hatte die Frau Anspruch auf Unterhalt durch den Mann. Er hatte für Nah- rung, Kleidung und Wohnung aufzukommen und die „eheliche Pflicht“ zu leisten. Geriet die Frau in Gefangenschaft, musste er sie loskaufen; wurde sie krank, musste er ihr Arzneien besor- gen. Und wenn sie starb, hatte er das Begräbnis auszurichten: auch wenn er arm war, hatte er wenigstens zwei Flötenbläser und ein Klageweib zu engagieren. Diesen bescheidenen Rechten standen umfang- reiche Pflichten der Ehefrau gegenüber. Sie musste den ganzen Haushalt besorgen, d. h. mah- len, backen, kochen, waschen; daneben die meist zahlreichen Kinder aufziehen; dem Mann das Bett herrichten und (das wurde als Entgelt für ihren Unterhalt erwartet!) Wolle verarbeiten, d. h. spinnen und weben. Da die Pflichten der Ehefrau sehr eng mit den Rechten des Ehemannes zusammenhängen, seien auch diese aufgezählt. Sie gleichen übri- gens – kurz gesagt – den Rechten eines Vaters über seine unmündige Tochter: Der Mann hat Anspruch auf den Arbeitsertrag und einen even- tuellen Schatzfund seiner Frau; er ist berechtigt, ihre Gelübde zu lösen; die Frau ist ihrem Mann Gehorsam schuldig, und dieser Gehorsam ist „religiöse Pflicht“. Dieses Gehorsamsverhältnis wirkte sich übri- gens auf die Kinder aus. Die Kinder hatten in ers- ter Linie den Vater zu ehren. Die Mutter kam an zweiter Stelle, da sie ja selbst zur Ehrfurcht vor dem Familienoberhaupt verpflichtet war. Geriet eine Familie in Lebensgefahr, war der Mann zuerst zu retten. Vielweiberei und Scheidung Besonders wird die Abhängigkeit der Ehefrau von ihrem Mann, wenn man sich vor Augen führt, dass im Judentum grundsätzlich die Poly- gamie erlaubt war. Mit anderen Worten: Jede Ehefrau musste prinzipiell damit einverstanden sein, dass ihr Mann neben ihr noch eine ande- re Frau hatte. – Da große Teile des jüdischen Volkes in wirtschaftlicher Armut lebten, dürfte Vielweiberei in der Praxis nur selten vorgekom- men sein. In einem Dorf bei Betlehem hat man im Jahre 1927 eine diesbezügliche Zählung vor- genommen, die Folgendes erbrachte: Von 112 ver- heirateten Männern hatten elf zwei Frauen, einer hatte drei. – Natürlich kann man diese Zahlen nicht einfach auf die Zeit Jesu übertragen. Aber sicherlich waren es damals auch nur wenige, die begütert genug waren, um eine zweite oder drit- te Frau ernähren zu können. Beschämend für das moderne Empfinden ist aber schon die Tatsache, dass einer damaligen Ehefrau vom Gesetz her eine „Nebenfrau“ zugemutet wurde. Was die Scheidung betri f f t , so konnte die Frau nur in einem Fall die Initiative ergreifen und die Scheidung beantragen (unter Aus- zahlung der Hochzeitsverschrei- bung): nämlich wenn der Mann ein ekelerregendes Gewerbe ausübte (Abdecker, Kotsammler, Gerber) und mit einem so üblen Geruch behaftet war, dass die Frau davon nachdrücklich abgestoßen wurde. Handmühle; das Mahlen des Getreides war eine typische Arbeit der Hausfrau © Petrus Schüler IM LAND DES HERRN
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