Im Land des Herrn | 76. Jahrgang | 2022 - 2

2/2022 15 schaft verkehrt, ist eine Figur der „höheren Stän- de“. Die einfachen Leute konnten sich schon aus wirtschaftlichen Gründen einen solchen Lebens- stil nicht leisten. Bei ihnen musste die Frau beruf- lich dem Mann zur Seite stehen, etwa als Verkäu- ferin der vom Mann hergestellten Produkte. Auf dem Land, unter der bäuerlichen Bevölke- rung, herrschten naturgemäß schon immer frei- ere Sitten. Die Mädchen holten täglichWasser am Brunnen, Mann und Frau arbeiteten zusammen auf dem Feld (als Kleinbauern bzw. als Tagelöh- ner, die sich von Großbauern anwerben ließen), die Frau bot an der Haustür landwirtschaftliche Erzeugnisse (z. B. Oliven) an, und das alles ohne „Verhüllung des Hauptes“. Man achtete jedoch darauf, dass eine Frau nicht allein auf dem Feld war. Auch war es auf dem Land nicht üblich, dass sich ein Mann mit einer fremden Frau unterhielt. Das religiöse Leben der Frauen Beiläufig kamen wir schon darauf zu sprechen, dass nach dem Mosaischen Gesetz die Frau dem Mann auch in Bezug auf ihre religiösen Pflichten untergeord- net war. So haben wir gehört, dass der Mann die Gelübde sei- ner Tochter oder Ehefrau außer Kraft setzen konnte. Die jüdische Religion war – wie das öffentliche Leben – Män- nersache. Von vielen religiösen Pflichten (die gleichzeitig so etwas wie Privilegien darstell- ten) waren die Frauen „befreit“ und ausgeschlossen. Sie muss- ten nicht dreimal im Jahr nach Jerusalem wallfahren, mussten nicht am Laubhüttenfest in der Laubhütte wohnen, mussten nicht täglich das Gebet „Höre, Israel!“ rezitieren, mussten auch nicht die Tora (das Mosaische Gesetz) studieren (die Schu- len waren nur für Knaben ein- gerichtet). Ein Rabbi hatte den Ausspruch getan: „Wer seine Tochter die Tora lehrt, lehrt sie Ausgelassenheit (denn sie wird ihr Wissen missbrauchen).“ Daran hielt man sich und versperrte den Mädchen den Zugang zu reli- giöser Bildung. – Immerhin ließ man ihnen in vornehmen Häusern eine gewisse weltliche Bil- dung angedeihen, indem man sie („weil es eine Zierde für sie ist“) z. B. in der griechischen Spra- che unterrichten ließ. Im Tempel zu Jerusalem durften die Frauen nur den „Vorhof der Heiden“ und den „Frauenvorhof “ betreten. In den Tagen ihrer monatlichen Regel sowie 40 Tage nach der Geburt eines Knaben und 80 Tage nach der Geburt eines Mädchens waren die Frauen auch nicht zum Vorhof der Heiden zugelassen, da sie als „unrein“ galten. In der Synagoge, zu der „Männer und Frauen, Kinder und Greise, dazu die Fremden, die in dei- nem StadtbereichWohnrecht haben“ (Deut 31,12) zugelassen waren, hatte man zunächst den „Raum der Frauen“ durch Schranken und Gitter- werk abgetrennt. Später baute man Emporen mit eigenem Eingang für die Frauen. „Morgenländische weibliche Tracht“ aus Meßmer, „Das Heilige Land“, Klosterbibliothek St. Anna München © Archiv Kommissariat München Frau in der jüdischen Gesellschaft Frau in der jüdischen Gesellschaft

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