Im Land des Herrn | 76. Jahrgang | 2022 - 2
IM LAND DES HERRN 6 2/2022 zu erleben. Eine schöne Tradition ist das „Heili- ge Grab“, ein üppig mit Blumen geschmücktes Gestell vor der Ikonostase. In Bet Sahur konnte ich sehen, wie die Gläubigen das Grab verehrten: dort wo man eine Figur des toten Jesus erwarten könnte, liegt das Evangelienbuch, welches von den Gläubigen geküsst wird. Eine „Exkursion“ führte mich in das nördliche Westjordanland, in die Gegend von Nablus. In den elf Jahren meines Aufenthaltes im Heiligen Land habe ich nie so eine starke Militärpräsenz gesehen wie in diesen Tagen: längst verlasse- ne Checkpoints waren wieder in Betrieb, dazu kamen „Fliegende Checkpoints“ und alle paar hundert Meter Soldaten mit MPs im Anschlag. Auf den Berg Garizim (Samaritaner!) zu kom- men war unmöglich – offiziell hieß es, um die Sicherheit der benachbarten jüdischen Siedlung nicht zu gefährden. Von einem Besuch in Nablus wurde mir ausdrücklich abgeraten. Nun, mein Weg sollte mich ohnehin nach Sebas- te (das alte Samaria) führen, wo ich im Gäste- haus von „Pro Terra Sancta“, der Partnerorgani- sation der Kustodie, übernachten wollte. Über Sebaste haben wir schon oft in unserer Zeit- schrift berichtet, darum möchte ich mich hier auf die sichtbaren Veränderungen beschränken: der große Platz, das „Forum“ wurde gepflastert. Die Jugend des Dorfes bekam damit auch einen passenden Fußballplatz. Früher hatte das auch seinen Reiz, denn die Fußballtore waren aus Bau- teilen der byzantinischen und Kreuzfahrerzeit zusammengesetzt! Im Gästehaus war ich zwar allein, aber Shadi, der rührige Betreuer, kam mehrmals am Tag um nach seinem einzigen Gast zu schauen. Es ist ein eigenes Erlebnis, dort eine Nacht zuzubringen, denn den meisten Pilgern ist das „palästinensi- sche Landleben“ doch unbekannt. Es beginnt am frühen Morgen mit einem dreifachen „Konzert“ – den Auftakt machen die Hähne des Dorfes, später schließen sich die zahlreichen Esel an und schließlich die kleinen Traktoren auf dem Weg zu den Feldern. Natürlich kommt dann noch der Muezzin-Ruf dazu. Der Aufruf zum Morgengebet, nämlich dass Beten besser als Schlafen sei, war von keinem sichtbaren Erfolg gekrönt. In diesem kleinen, von der Landwirtschaft geprägten Dorf, gibt es keine religiösen Fanatiker. Am nächsten Tag wollte ich einige biblische Orte besuchen, die ich lange nicht mehr gesehen habe. In früheren Jahren machte ich das immer allein, aber wegen der Unruhen ließ ich mich von einem lokalen Guide begleiten; erst in der Links der „Josefsbrunnen“ beim Tel Dotan, rechts der „Muslimische Josefsbrunnen“ beim See Genessaret © Petrus Schüler
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