Im Land des Herrn | 76. Jahrgang | 2022 - 3
3/2022 11 Totes Meer Totes Meer logische Daten, literarische Texte und Papyri aus der Region liefern umfassende Belege für eine gut entwickelte und in höchstem Maße angepass- te, auf Oasenwirtschaft gegründete Ökonomie in späthellenistischer und frührömischer Zeit. Bei- spielsweise waren Dattelplantagen alles andere als Monokulturen. Bei entsprechender Bewäs- serung konnten zahlreiche andere Garten- und Nutzpflanzen gezogen werden. Auf der Hoch- ebene wuchs Getreide, in Oasen wie En-Gedi Wein. Voraussetzung von all dem ist Wasser, doch waren trotz des harten Klimas und des heutigen Wüstencharakters der Region Quellen in so aus- reichendem Maße vorhanden, dass Menschen an vielen Orten ihr Auskommen fanden. Zu den Nutzpflanzen kommen Rohstoffe wie Asphalt und Salz hinzu, ebenso Kleinviehzucht und in bescheidenem Maße Jagd. Vor allem in Qumran sind zahlreiche Werkzeuge gefunden worden, die die vielfältigen landwirtschaftlichen Aktivitä- ten dokumentieren: von der Hacke über Sicheln, Laubmesser zum Zurückstutzen von Unterholz und Zweigen sowie Scheren zur Schafschur. Aus den Höhlen bei Qumran und En-Gedi und aus Grabungen auf Masada können wir ersehen, dass mit lokal vorhandenen Produkten eine ganze Bandbreite von Haushaltgegenständen hergestellt wurden: Matten, Körbe, Textilien, Holzgeschirr und zu einem gewissen Teil auch Keramik. Gera- de durch ihr Klima bot die Region Produkte wie Datteln, Salz, Balsam oder Asphalt, die nicht vor Ort allein konsumiert werden konnten, sondern andernorts gefragt und daher ein begehrtes Han- delsgut waren. Andere Produkte wie Öl fehlten in der Region und wurden – wie auch ein gro- ßer Teil der Keramik sowie andere Gebrauchs- güter wie Glas und Metallgeräte – von außerhalb der Region, z. B. aus der Gegend um Jerusalem, und in zunehmendem Maße auch von außer- halb Palästinas importiert, wie Feinkeramik oder Waren in außerpalästinischen Transportgefäßen. Ein Schub an Offenheit ist vor allem in der hero- dianischen Periode ab dem 1. Jh. v. Chr. zu ver- zeichnen. Die Region war in besonderem Maße auf Handel angewiesen und profitierte davon, dass seit der Hasmonäerherrschaft, vollends aber mit der faktischen Machtübernahme Roms seit Mitte des 1. Jhs. v. Chr., Warenverkehr ungehin- dert möglich war und offensichtlich auch gro- ße Summen Geld in die Region flossen, um ihre einzigartigen Möglichkeiten nutzbar zu machen. Den Zusammenfluss an Geld sieht man nicht nur an einem Zuwachs an Bevölkerung, sondern auch im stufenweisen Ausbau bestehender Siedlungen (En-Gedi, Jericho) und der Gründung neuer Nie- derlassungen mit landwirtschaftlichen (Qumran, Archelais), militärischen (Festungen) oder infra- strukturellen Aufgaben (Khirbet Mazin, Rujm el Bahr). Viele dieser Anlagen erfüllten natürlich mehrere Funktionen zugleich und sind letztlich auch nicht vom Repräsentationsbedürfnis der regionalen jüdischen Herrscher zu trennen. Prof. Jürgen Zangenberg ist Neutestamentler und Archäologe und lehrt an der Universität Leiden. Der Artikel ist mit freundlicher Erlaubnis entnommen aus „Das Tote Meer“, Verlag Philipp von Zabern. Wasserfall in En-Gedi © Petrus Schüler
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