Im Land des Herrn | 76. Jahrgang | 2022 - 3

12 3/2022 as Tote Meer ist das Meer aller Superlati- ve: das salzigste, das am tiefsten gelegene, das gesündeste für die Haut und gegen Rheuma… Ein auf der ganzen Welt einzigartiger Schatz, der den Tourismus- und Chemiebran- chen in Israel und Jordanien lukrative Geschäf- te beschert. Aber wie lange noch? Während der Wasserspiegel jedes Jahr um mehr als einen Meter sinkt, schauen die Anrainerstaaten para- doxerweise weg. Das Überleben des Toten Meeres hängt von stockenden Entscheidungen in einer Region ab, in der das Wassermanagement eine zusätzliche Quelle für Konflikte bildet. Dort, wo das Meer sich unaufhaltsam zurückzieht, bilden sich unter dem früheren Meeresgrund Hohlräu- me. Brechen sie an der Oberfläche ein, entsteht eine trostlose Mondlandschaft. Seit 2015 ist der öffentliche Strand von En-Gedi samt seinen Einrichtungen für die Öffentlichkeit gesperrt. Der Belag der Straße 90, die am Toten Meer entlangführt, kann plötzlich aufbrechen und der Boden einstürzen. Weil der Wasserpegel des Toten Meeres sinkt, stürzt das Ufer dramatisch ein. Wegen dieses geologischen Phänomens – Dolinen genannt – mussten die Strände von En-Gedi und Mineral Beach geschlossen werden. Diese Entwicklungen hinterlassen riesige Löcher im Boden – und in der dortigenWirtschaft. Mi t den Muscheln, den Krustent ieren und dem Sommerfeeling ist es vorbei. Am öffentli- chen Strand des Kibbuz von En-Gedi spielt die Musik nicht mehr, seit der Erdboden unter der Straße 90, die entlang dem Westufer des Toten Meeres verläuft, abgesackt ist. Da sich plötzlich gefährliche Senklöcher auftun können, ist dieses Gebiet seit 2015 gesperrt. Seither ist die Zeit dort stehen geblieben. Wer sich heute dorthin wagt, wähnt sich in einer Geisterstadt. Inmitten des aufgerissenen Asphalts, der verlassenen Gebäude und der gespaltenen Bäume sind Zeit und Raum in ohrenbetäuben- der Stille erstarrt, im Hintergrund liegt das Meer glatt und ruhig. „Die Ruhe ist aber trügerisch“, erklärt Yariv Kita, ein ehe- maliger Trader (Manager) aus Tel Aviv, während er leichten Schrittes auf der holprigen Straße geht und das betrach- tet, was vom Haupterwerbs- zweig von En-Gedi, einem Kibbuz mit 650 Mitgliedern, übrigbleibt. Erleichtert gab er Anfang September 2021 nach fünf Jahren die kaufmänni- sche Leitung des Kibbuz ab. In diesen fünf Jahren sah er, wie die Dolinen die Haupt- einnahmequellen des Kibbuz Das Tote Meer lebt – wie lange noch? Cécile Lemoine © Cecile Lemoine D

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