Im Land des Herrn | 76. Jahrgang | 2022 - 3

3/2022 13 verschluckten: die Dattelpalmenplantage und die einzige Tankstelle in einem Umkreis von 60 Kilo- metern. Der zum Dead Sea Highway ausgebaute Abschnitt der Straße 90 und die 60 Millionen Dollar teure Brücke über dem Wadi Arugot, die den Verkehr auch bei winterlichen Überschwem- mungen ermöglichte, wurden zerstört. Die Tou- risten, die scharenweise hierherkamen, um die heilende Wirkung der Mineralien vom Toten Meer und das einzigartige Schwebegefühl imWas- ser mit dem höchsten Salzgehalt auf der Erde zu genießen, bleiben fern. „Es ist eine Höllenfahrt“, fasst Yariv Kita die Situation zusammen. Etwas nördlicher musste der Strand von Mineral Beach schließen, als ein gigantisches Erdloch einen Teil des Parkplatzes und nagelneue Unterkünfte ver- schluckte. Vorher kamen 250.000 Gäste im Jahr. Dieser Strand wurde vom Kibbuz Mitzpe Shalem und seinen 250 Mitgliedern bewirtschaftet. Heute zeugt nur noch eine Reihe von Sonnenschirmen aus Palmenblättern von der ehemaligen Vitalität dieses paradiesischen Fleckchens Erde. Was ist die Ursache dieser Schäden? Die Aus- trocknung des Toten Meeres. Jedes Jahr sinkt der Wasserpegel um etwas mehr als einen Meter. Der Jordan ist zu einem Rinnsal verkümmert, da dem Fluss für industrielle Zwecke große Wassermen- gen entnommen werden. Hinzu kommt die Ver- dunstung. Zieht sich das Meer zurück, hinterlässt es große Salzkammern unter der Oberfläche. Im Winter fließt das Regenwasser von den umliegen- den Bergen herunter und sickert in den Boden ein. Das Süßwasser löst die Salzschicht auf. Es ent- stehen Hohlräume, die unter der Schwerkraft einbrechen. Die ers- te Sinkhöhle entstand Ende der 1980er-Jahre. „Damals haben wir sie als eine geologische Kuriosität betrachtet und uns keine Sorgen gemacht“, erinnert sich der Geo- loge Eli Raz, der im Kibbuz En- Gedi lebt. Heute zählt das nord- westliche Ufer des Toten Meeres mehr als 6500 Dolinen. „Das Phä- nomen verstärkt sich“, erklärt der Wissenschaftler. „Was logisch ist: je niedriger der Wasserspiegel ist, umso größer wird das Gebiet mit den Dolinen.“ 2015 registrierte er mehr als 700 neue Sinklöcher – ein Rekord. „Wir können nichts dagegen tun“, fügt er lakonisch hinzu. Jor- danien ist auch betroffen, aber in geringerem Maße. Im Süden hilft die Pottasche-Industrie, die Verdunstungsbecken stabil zu halten. Vor der Scheibe von Yariv Kitas SUV zieht die abgesunkene Landschaft bei En-Gedi vorbei. Die Veränderungen sind leicht zu erkennen. Zu Beginn der 1980er Jahre hat der Kibbuz in ein Spa direkt am Meer investiert. Heute muss man 1,5 Kilometer zurücklegen, um ans Meer zu kom- men. „Da das zu anstrengend ist, bevorzugen die Touristen die bequemeren südlichen Strände“, klagt der ehemalige Manager. Er stoppt denWagen in der Nähe des kleinen Wellnesskomplexes, das aus dem Boden gestampft wurde. Heute ist es geschlossen. „Nie war es besonders rentabel, aber mit der Coronapandemie hat es sich schnell nicht mehr gelohnt.Wir mussten 40 Leute entlassen.“ Das ist ein schwerer Schlag für den Kibbuz. 65 % seiner Einnahmen stammen vom Tourismus. Mit der Pandemie ist dieser Anteil unter 40 % gesun- ken. Den Rest liefern Dattel- und Mangobäume, vor allem aber der Verkauf von Mineralwasser. Es wird in einer kleinen Anlage am Rand der üppi- gen botanischen Gärten des Kibbuz abgefüllt. En- Gedi hat in Israel einen Marktanteil von beinahe 30 % für die 1,5-l-Wasserflaschen. © Hadas Parush Flash 90 Totes Meer Totes Meer

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