Im Land des Herrn | 76. Jahrgang | 2022 - 3
24 3/2022 Die Zeit zwischen Aussaat und Ernte ist von ban- gem Warten erfüllt. Ausbleibender Regen und allerlei Krankheiten (das Buch Deuteronomium spricht von „Dürre, Getreidebrand und Miss- wuchs“ – Dtn 28,22) oder einfallende Heuschre- ckenschwärme können das heranreifende Getrei- de vernichten. Bleibt man von solchen Katastrophen verschont und ist endlich die Zeit der Ernte herangekom- men, dann bricht damit eine sprichwörtliche Zeit der Freude und des Jubels an: „Die mit Trä- nen säen, werden mit Jubel ernten. Sie gehen hin unter Tränen und tragen den Samen zur Aussaat, sie kommen wieder mit Jubel und bringen ihre Garben ein“, heißt es in Psalm 126. Für die Ernte braucht man alle Arbeitskräfte. Die Landarbeiter und die Erntehelfer schneiden mit kleinen Sicheln die Ähren sehr weit oben am Halm wie Sträuße ab. In großen Tragkörben wird die Frucht zur Tenne gebracht. Das Stroh lässt man stehen und von den Tieren (besonders von Eseln) abfressen. Gelegentlich geschieht es, dass auf dem Feld ein Brand ausbricht (der Prophet Jesaia spricht einmal von „des Feuers Zunge, das die Stoppeln frisst“ und vom „Heu, das in der Flamme zusam- mensinkt“ – Jes 5,24). Obwohl sie mit Freude getan wird, ist die Ernte- arbeit anstrengend, da sie in eine heiße Jahres- zeit fällt (dieWeizenernte erfolgt anfangs Mai). Die Ähren, die beim Schneiden zwischen den Stoppeln zu Boden gefallen sind, dürfen von den Armen aufgelesen werden. Im Buch Levitikus 19,9 gibt es darüber folgende Bestimmung: „Wenn du die Ernte einbringst, so ernte dein Feld nicht völlig bis zum Rand ab und halte keine Nachlese. Auch in deinem Weinberg lies die abgefallenen Beeren nicht auf. Überlasse sie dem Armen und dem Fremden: ich bin Jahwe, euer Gott!“ Die berühmteste Ährenleserin des Alten Testa- ments ist übrigens die Moabiterin Rut, die als Ahnfrau Davids in den Stammbaum Jesu (Mt 1,5) Aufnahme gefunden hat. Auf dem Dreschplatz Der Dreschplatz (die „Tenne“) ist entweder eine Felsplatte oder ein Platz, der aus festgestampfter Erde besteht. Im Idealfall liegt er auf einem lufti- gen Hügel in der Nähe der Felder. Hier werden die Ähren auf den Boden geschüttet, und vier Ochsen gehen in Reih und Glied über sie hin und zertreten sie, sodass die Körner aus der Spreu herausfallen. In manchen Gegenden benützt man einen soge- nannten Dreschschlitten, d. h. eine Holz- tafel, bei der die Unterseite mit harten, spitzen Steinen besetzt ist. Diese Tafel lässt man von Ochsen über das ausge- schüttete Getreide ziehen. Anschließend wird das Gedroschene mit einer Schaufel oder Gabel bei ruhi- gem Wind in die Höhe geworfen, wobei die leichte Spreu vom schweren Weizen getrennt wird. – Dieser Trennungsvor- gang wird in der Bildersprache der Bibel gern als Sinnbild des göttlichen Strafge- richts verwendet; vgl. Mt 3,12 (der Buß- prediger Johannes der Täufer sagt vom Messias): „Schon hält er die Schaufel in der Hand; er wird die Spreu vomWeizen trennen und den Weizen in seine Scheu- ne bringen; die Spreu aber wird er in nie erlöschendem Feuer verbrennen.“ IM LAND DES HERRN Die Moabiterin Rut, Fresko in der Wallfahrtskirche Klosterlechfeld, dargestellt ist die Bibelstelle Rut 2,3: „Rut ging hin und las auf dem Feld hinter den Schnittern her“ © Petrus Schüler
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