Im Land des Herrn | 76. Jahrgang | 2022 - 3

3/2022 25 In der Realität diente die Spreu für viele prakti- sche Zwecke: als Futtermittel oder Viehstreu im Stall, als Heizmaterial im Backofen, als Bindemit- tel für den Lehmputz auf dem Dach oder an den Hauswänden sowie als Bindemittel für Tonpro- dukte wie Kochherde und Backöfen. Das Wertvollste auf dem Dreschplatz ist natürlich der Haufen von Korn oder Weizen. Durch Sieben werden die Körner nochmals gereinigt. Dann wird der Ernteertrag gemessen und gewogen, denn der zehnte Teil davon muss als Pflichtabga- be an die Priester abgeführt werden. Das Mahlen des Getreides bleibt meist den Frauen vorbehal- ten, die dazu eine Handmühle benützen. Die Olivenernte Neben demWeizen bilden in alter Zeit die Oliven den natürlichen Reichtum Israels. Die immergrü- nen Olivenbäume überstehen ohne weiteres län- gere Trockenperioden. Zwar tragen sie nur jedes zweite Jahr, aber ein Bauer kann es so einrich- ten, dass er immer von einem Teil seines Baum- bestandes Früchte hat. – Die Blütezeit der Oliven liegt im Mai. Die Ernte erfolgt anfangs Oktober. Die Früchte werden mit Stöcken von den Zwei- gen geschlagen (Dtn 24,20 spricht davon, dass ein Ölbaum „abgeklopft“ wird). Ein ausgewachsener Baum bringt im Durchschnitt 25 Liter Öl, gele- gentlich sind es sogar 50 bis 60 Liter. Die Oliven bilden neben Brot undWein eines der wichtigsten Nahrungsmittel (vgl. Ps 104,14: „Du lässt das Gras wachsen für das Vieh, auch Pflan- zen für den Menschen, die er anbaut, damit er Brot gewinnt von der Erde und Wein, der das Herz des Menschen erfreut, damit sein Gesicht von Öl erglänzt und Brot das Menschenherz stärkt.“ – Vgl. auch Ez 16,13: „Feinmehl, Honig und Öl waren deine Nahrung, so wurdest du strahlend schön.“). Darüber hinaus diente Olivenöl zur Körperpflege und als Heilmittel zur Behandlung von Wunden (die von Jesus als Missionare ausgeschickten Jünger „salbten viele Kranke mit Öl und heil- ten sie“, Mk 6,13). Nicht zuletzt war Olivenöl ein gebräuchliches Beleuchtungsmaterial (die klu- gen Jungfrauen haben Öl in Krügen dabei, um ihre Lampen am Brennen zu halten, Mt 25,4). Trauben undWein In dem eben zitierten Ps 104 war schon die Rede vom „Wein, der das Herz des Menschen erfreut“. – Das Land Kanaan, das im 13. Jahrhundert von den Israeliten erobert und besiedelt wurde, war ein altes Weinbauland. In Galiläa wurde zur Zeit Jesu nur von wenigen Großgrundbesitzern Weinbau im größeren Stil betrieben. Die meisten Kleinbauern zogen Reben in kleinen Parzellen, eingebettet in Obstgär- ten und Getreidefelder. Auf seinen zahlreichen Hügeln bot Galiläa jedoch, wenn für Bewässe- rung gesorgt war, ideale Bedingungen für die Produktion eines ausgezeichnetenWeines. Einen Teil der Trauben aß man direkt oder trocknete man zu Rosinen. Den größten Teil aber kelterte man und ließ ihn vergären. Wein spielte eine Rolle im Tempelkult (als Trank- opfer) und bei vielen festlichen Gelegenheiten (denken wir an die Hochzeit in Kana und an die Symbolik von Brot undWein beim Letzten Abend- mahl). – Der bibelkundige Leser erinnert sich in diesem Zusammenhang an ein Schimpfwort, das Jesus als „Fresser und Weinsäufer“ bezeichnet (Lk 7,34). Für Jesus war ein Festmahl mit einem wohlschmeckenden Wein ein Vorgeschmack des himmlischen Mahles der Endzeit. In Abhebung von Johannes dem Täufer und den Essenern (die wir in einem späteren Kapitel vorstellen) war Jesus alles andere als ein düsterer Asket. Alltag zur Zeit Jesu Alltag zur Zeit Jesu Olivenernte auf dem Ölberg Jerusalem, hier das Aussortieren  © Petrus Schüler

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