Im Land des Herrn | 76. Jahrgang | 2022 - 3

3/2022 33 Mann mit kurzen Haaren und einer kleinen Bril- le. Eine Soutane trägt er erst seit Kurzem: Abdal- lah Jeldah, seit Jahrzehnten der erste Seminarist aus Gaza. Für P. Gabriel vielleicht der erste seit dem 19. Jahrhundert, als die katholische Kir- che sich dort niederließ. „Mit 14 habe ich meine Berufung gespürt. Ich habe es meinen Eltern mitgeteilt, daraufhin wollten sie nicht mehr, dass ich die Hl. Messe besuche! Ich bin der älteste Sohn. Als Ältester sollte ich heiraten, eine Arbeit haben, Kinder bekommen. So war es aber. Ich habe Zeit vergehen lassen und mit 18 habe ich sie überzeugt“, erzählt der 23-jährige Ordens- mann. In einem Monat verlässt er Gaza, um nach Italien zu gehen. Für immer. „Ein Bote kommt nicht nach Hause zurück“, meint er. Eine Familie ist nach Hause zurückgekehrt, die von Kamal Anton. Der 69 Jahre alte Mann hat strahlend blaue Augen. Er wohnt in Tell-el-Hawa, einem der besten Viertel von Gaza. Wie zahlrei- che Palästinenser lebte er lange im Exil. Seine Eltern stammten aus Akko. 1948, wäh- rend der Nabka, der „Katastrophe“, muss- ten sie wie 700.000 ihrer Landsleute vor den Kämpfen im ersten israelisch-arabi- schen Krieg fliehen. Sie kamen nach Liba- non, wo Kamal 1952 auf die Welt kam und 20 Jahre später heiratete. 1982 zog er mit seiner Familie in den Jemen und 1994, als der Friede möglich erschien, nach Gaza. „Wir waren so glücklich, in unsere Hei- mat zurückzukommen. Auch wenn die Israelis überall Checkpoints eingerichtet hatten.“ Zu dieser Zeit war er Beamter der jungen palästinensischen Behörde. Aber alles geriet sehr schnell außer Kontrolle, und di e Fami l i e i s t nun in Gaza ge - fangen. Gute Kontakte zu Moslems Die Wohnung ist groß, voll Marienfiguren, die mit Rosenkränzen behangen sind. Alle sitzen auf tiefen blauen Sofas. Die Familie nimmt das Essen gemeinsam ein. Kamal und seine Frau Nahida haben sieben Kin- der, von denen nur drei in Gaza geblieben sind. Ihre Beziehungen zur Hamas sind freundlich. Die islamistische Organisation lässt die Christen ihren Glauben leben und schickt sogar Vertreter zu den großen religiösen Festen. Auch die Beziehungen zu den Moslems sind überhaupt nicht von Feindseligkeit geprägt. „Unsere Probleme sind die gleichen: die Blocka­ de und die Wirtschaftskrise“, erklärt Hanna Mikhail, 50, der Schwiegersohn von Kamal. Sein Vater stammt aus Oberägypten; von ihm hat er die dunkle Haut. Während des letzten Krieges im Mai 2021 beherbergte die christliche Fami- lie ihre muslimischen Nachbarn. „Gemeinsam haben wir die Explosionen besser überstanden. Die Bombardements waren schrecklich, stärker als beim letzten Konflikt. Nirgendwo fühlten wir uns sicher“, erinnert er sich und zeigt dabei auf seinem Handy-Videos. Auf dem einen sieht man eine Reihe von Bomben wie ein rollendes Feuer voranschreiten, während im Hintergrund Men- Zwei Ordensschwestern, die in Gaza arbeiten  © Petrus Schüler Sonntag in Gaza Sonntag in Gaza

RkJQdWJsaXNoZXIy NDQ1NDk=