Im Land des Herrn | 76. Jahrgang | 2022 - 3
3/2022 9 anz im Unterschied zu heute war das Gebiet östlich und westlich des Jordans und des Toten Meeres – vielleicht abge- sehen von etwa 150 Jahren zwischen 300 und ca. 150 v. Chr. – nicht durch politische Grenzen getrennt, die die Bewegung von Menschen und Waren beeinträchtigten. Zudem waren politische Grenzen, wo sie existierten, oft nicht von Dauer und beeinflussten den Alltag der Menschen nicht stark. Seit die Römer im Jahre 63 v. Chr. mit Pom- peius direkt ihre Hand auf die Levante gelegt hat- ten, waren den Rivalitäten und Konflikten unter den einzelnen Lokal- und Regionalfürsten mit ihren Nachbarn ohnehin enge Grenzen gesetzt. Rom hatte schlicht kein Interesse an instabilen Verhältnissen innerhalb der strategisch wichtigen Landbrücke zwischen Ägypten und Syrien/Meso- potamien und griff lediglich ein, wo diese gefähr- det schien. Freilich bedeutet dies nicht, dass die Bevölkerung der Region östlich und westlich des Toten Meeres kulturell oder ethnisch homogen war – im Gegen- teil! Während bis ca. 150–100 v. Chr. am Ostufer des Toten Meeres ganz überwiegend Menschen lebten, die in der antiken Literatur als „Araber“ bezeichnet werden, weiter nördlich „Syrer“ ansäs- sig waren, lebten westlich des Jordangrabens überwiegend Juden. Jedoch sagen antike Volks- bezeichnungen wie „Syrer“ oder „Juden“ relativ wenig über Unterschiede in Lebensweise und materieller Kultur aus. Sie dürfen auch nicht mit modernen Begriffen von staatlicher Zugehörigkeit verwechselt werden. Das kulturelle Grundstra- tum dieser Bevölkerungsgruppen war semitisch, sprachlich waren Aramäisch oder dessen Abwand- lungen (wie z. B. Nabatäisch) präsent, zunehmend auch Griechisch. Ein erkennbares, an bestimmte Ethnien gebundenes und dieses anzeigende For- men- und Fundspektrum der materiellen Kultur bildete sich erst langsam heraus und wurde zuerst während des späten 3. Jhs v. Chr. in den zum Teil neu gegründeten großen Städten der späteren Dekapolis erkennbar, wo unter tatkräftiger För- derung durch die Territorialmächte Ägypten und seit 200 v. Chr. Syrien die ortsansässige semitische Kultur eine einzigartige Symbiose mit importier- ter griechischer Architektur, Kunst und Kultur einging und Griechisch auch als Umgangssprache mehr und mehr an Boden gewann. Für die Region am Toten Meer war diese Entwick- lung freilich nur mittelbar von Bedeutung, da Philadelphia, Gerasa und Pella, die am nächsten benachbarten städtischen Zentren, doch recht weit entfernt lagen. Ab der zweiten Hälfte des 2. Jhs. v. Chr. ist diese Symbiose verstärkt auch in Judäa zu beobachten, wo sich unter dem Ein- druck der durch die Hasmonäer neu gewonnenen Die hellenistisch-römische Zeit am Toten Meer Kultur, Wirtschaft und Geschichte Prof. Jürgen Zangenberg Keramik vom Toten Meer, Museum En-Gedi © Petrus Schüler G
RkJQdWJsaXNoZXIy NDQ1NDk=