Im Land des Herrn | 77. Jahrgang | 2023 - 1

1/2023 5 ls Anfang der Via Dolorosa wird herkömmlich die Geißelungskapelle (lat. Flagellatio) betrachtet, die in einem ummauerten Hof rechts der Straße liegt. Ihr Türmchen ist schon von der Straße aus gut zu erkennen. 1836, in einer Periode der Schwäche der osmanischen Zentralregierung, als Ibrahim Pascha, der Gouverneur von Ägypten, auch Palästina beherrschte, gelang es den Franziskanern, auf dem angenommenen Gebiet der Burg Antonia Fuß zu fassen. Mit dem Ertrag der ersten bayerischen Palmsonntagskollekte für das Heilige Land, den Herzog Maximilian 1838 persönlich überbrachte, wurde an der Stelle der verfallenen mittelalterlichen eine neue Geißelungskapelle erbaut. Eine Gedenktafel, welche der Katholische Arbeiterverein von Bayern anlässlich einer Pilgerfahrt im Jahr 1900 anbringen ließ, erinnert daran. Die Kapelle wurde 1927–29 vom Franziskanerarchitekten Antonio Barluzzi in mittelalterlichem Stil erneuert. Die drei Glasfenster stellen die Geißelung, das Händewaschen des Pilatus und den Triumph des Barabbas dar. In der Kuppel über dem Altarraum ist eine Dornenkrone dargestellt, die von Glasrosen durchsetzt ist, siehe Bild auf der Rückseite der Zeitschrift. Durch sie fällt gedämpftes Licht in die Kirche –selbst im Todesleiden hat der Gläubige Hoffnung auf Licht. 1903 wurde an der Westseite des Hofes die Verurteilungskapelle unter Leitung des deutschen Franziskanerbruders Wendelin Hinterkeuser errichtet. Sie steht auf den Grundmauern einer mi ttelal terl ichen orthodoxen Kirche. Die Altäre sind Produkte des späten Nazarenerstils. Das eigentlich Interessante an der Kirche ist der hintere Teil des Fußbodens mit seinen großflächigen rötlichen Steinplatten, die sich als Lithostrotos im Nachbargrundstück Ecce Homo fortsetzen. Der Hof oder eine der beiden Kapellen sind ein guter Platz, sich den Anfang der Passion Jesu vor dem Richterstuhl des Pilatus zu vergegenwärtigen, wie sie in der Leidensgeschichte aufgezeichnet ist: Als Jesus vor dem Statthalter stand, fragte ihn dieser: Bist du der König der Juden? Jesus antwortete: Du sagst es. Als aber die Hohepriester und die Ältesten ihn anklagten, gab er keine Antwort. Da sagte Pilatus zu ihm: Hörst du nicht, was sie dir alles vorwerfen? Er aber antwortete ihm auf keine einzige Frage, sodass der Statthalter sehr verwundert war. Jeweils zum Fest pflegte der Statthalter einen Gefangenen freizulassen, den das Volk verlangte. Damals Flagellatio Flagellatio A Widmungsinschrift der Flagellatio-Kapelle (Wörtliche und zeilenmäßige Übersetzung finden Sie auf Seite 9)

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