Im Land des Herrn | 77. Jahrgang | 2023 - 2

IM LAND DES HERRN 16 2/2023 Ein anderer „Trick“ der Händler: interessiert sich ein Tourist am Anfang einer Marktstraße für ein bestimmtes Produkt, rufen sich die Händler halblaut das Wort für dieses Produkt zu, zum Beispiel „Sandale“. Der Kunde wird sich wundern, wenn in den nächsten Geschäften auf einmal die Sandalen in der ersten Reihe zur Auswahl stehen. Für Pilger aus Europa interessant sind die „Mitbringsel“ und da bietet sich im Suk der Kauf von Keramik an. Man sollte sich aber darüber im Klaren sein, dass die in den Buden angepriesene Ware meistens aus Massenproduktion stammt und wenig originell ist – wenn man etwas Höherwertiges erwerben möchte, bieten sich die meist armenischen Keramikstudios an. Als Tobler die Heilige Stadt besuchte, gab es im Suk noch keinen nennenswerten Devotionalienhandel außer einigen wenigen Buden im Bereich der Grabeskirche; Konrad Sixt berichtet dann schon von Rosenkränzen, Blumenbildchen, Medaillen und anderen Schnitzereien. Im Jahre 1883 hat sich das Angebot der Waren für den Pilger schon auffällig verändert: … Dagegen findet der Pilger die reichste Auswahl der gewünschten Devotionalien: Rosenkränze in allen Sorten und Größen, Kreuze aus Perlmutter und Olivenholz, Blumenbilder in den mannigfaltigsten Zusammensetzungen, kurz, Jerusalem producirt außer den religiösen Andenken nicht e i n e n nennenswerthen Artikel für den Export ins Ausland…… („Pilgerreise eines Kölners von Venedig nach Jerusalem und Rom 1883“) Bei den heutigen Rosenkränzen handelt es sich meist um Ware aus Betlehem und es lohnt, einige Euro mehr zu zahlen, wenn die haltbareren Rosenkränze aus Olivenholz angeboten werden. Auch beim Einkauf von Weihrauch kann man hier nicht viel falsch machen: fast immer handelt es sich um griechischen Weihrauch oder von griechischen Mönchen im Land hergestellten Weihrauch. Viele Artikel sind speziell für orthodoxe Gläubige im Angebot, darunter die wohlriechenden Öle, meist Narde, mit denen orthodoxe Pilger den Salbungsstein in der Grabeskirche benetzen. Was Tobler uns über die Pausen der Suk-Händler berichtet, hat sich bis heute nicht wesentlich verändert: „Das Essen nimmt der Krämer in der Regel außer dem Laden zu sich. Ein Kaffeewirth bringt ihm allenfalls eine Schale von Kaffee; wenn er aber das Mittagsmahl halten oder in das Gotteshaus gehen will, schließt er entweder die Bude, und er ersucht seinen Nachbar, daß er Acht gebe, oder er setzt Jemand provisorisch an seine Stelle…“ Dieses Bild bietet sich auch dem heutigen Besucher: der Laden wird mit einem Seil oder ähnlichem etwas versperrt, bis der Besitzer aus der Moschee oder dem Kaffeehaus zurückkehrt. Was sich allerdings in den letzten Jahren völlig verändert hat, sind die „Öffnungszeiten“: unsere älteren Franziskaner berichten, dass noch bis vor ca. 50 Jahren die Läden Verkäufer von Süßigkeiten um 1900 ©Dia Archiv München

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