Im Land des Herrn | 77. Jahrgang | 2023 - 2

2/2023 21 Erschrockener Apostel Erschrockener Apostel selber sein, der auf anderen Kapitellen dargestellt ist. Petrus steht ganz erschrocken da: mit gebeugten Knien wie ein „Angsthase“, nicht vorwärtsgehend, erschreckt seinen eigenen Gürtel festhaltend und es scheint, dass er gleich wegrennen möchte. Sein Gesicht scheint den Schrecken zu sehen und gelähmt zu werden. Ist das nicht ein Bild der Kirche, wie wir sie auch heute noch öfters erleben? Sie weiß nicht immer wo sie steht und möchte am liebsten angesichts all der Probleme davonrennen. Dass auch Petrus, der Leiter der ganzen Kirche, der „Fels“ in der Kirche, so dasteht, ist sehr eindrücklich. Die Angst und der Schrecken ist Teil seiner Wirklichkeit. Und Schrecken und Angst gehören auch zur Kirche damals und heute dazu. An der Hand von Mutter Kirche Vor dem Apostel steht eine weitere Person, offensichtlich eine Frau. Sie trägt eine Krone und ist würdevoll angezogen. In der Hand hat sie einen Wanderstab, einen Pilgerstab, der sie stützt und weiterführt. Mit ihrem Arm ergreift sie die Hand des Petrus und zieht diesen von Angst gelähmten Apostel vorwärts. Diese Frau muss offensichtlich Mutter Kirche sein, die ihren Weg ohne Furcht von der Gegenwart in die Zukunft geht. Den irdischen Leiter dieser Kirche, Petrus, hält sie dabei an der Hand und führt ihn. Seine Angst lässt den Apostel nicht selber vorwärts gehen, sondern er wird vorwärts geführt, vielleicht vorwärts gezogen und muss sich Mutter Kirche anvertrauen. Ohne diese Führerin würde er sich in der nächsten Höhle verstecken, um nicht angegriffen und verwundet zu werden. Die gelähmte irdische Kirche muss von Mutter Kirche aus ihrem Angstzustand herausgerissen werden. Die wandernde und pilgernde Kirche Die Kirche ist wandernd und wie eine Pilgerin in den Zeiten unterwegs. Das ist eine zentrale Aussage dieser Darstellung und ein Wesenselement der Kirche schlechthin. Und die Kirche kann und darf Angst haben, weil sie sich bedroht und unverstanden fühlt. Gerade die „Amtsträger“, die Offiziellen dieser Kirche haben vielleicht sogar am meisten Angst und verstecken sich oft hinter diplomatischen Reden, die nichts wirklich besagen wollen und wie Ausreden wirken. Aber die ängstlichen Amtsträger von damals und heute sind nicht alleine, sondern sind begleitet von der vorwärtsgehenden Kirche, die ohne Ängste ihren Weg pilgernd durch alle Zeiten geht. Besteht diese Kirche nicht aus der heiligen Kirche, die pilgernd im Heute voranschreitet, und aus der sündigen Kirche, die hilflos in der Welt steht, von Angst gelähmt ist und sich zu verstecken sucht? Wie sagen doch die Kirchenväter so spitz und unangenehm, dass die Kirche gleichzeitig Braut und Hure ist, weil sie die beiden Elemente in ihr als gegenwärtig erkennen. Wenn aber beide Elemente zusammen arbeiten und Hand in Hand zu gehen vermögen, wenn die hoffnungsvolle Pilgerfahrt zusammen mit der angstbesetzten Lähmung da sein darf, kann letztlich nichts passieren. So dürfen wir die Kirche als heilig ehren und gleichzeitig ihre irdischen Fehler erleben und erleiden. Dann erst wird sie zur wirklichen Mutter Kirche. Es ist mir sehr eindrücklich, dass ein Kapitell des Heiligen Landes aus dem 12. oder 13. Jahrhundert zu solchen Aussagen führen können, die uns auch heute noch gleichzeitig erschüttern und ermutigen können. Bleiben wir glaubende Pilger durch unser Leben hindurch. Seitenansicht Kapitell © Raynald Wagner

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