2/2023 33 Berg Zion Berg Zion dem Krieg zwischen Israelis und Arabern in den Jahren 1948–1949 und bis 1967 war ihnen der Zugang zur Klagemauer verboten, also kamen sie zum Beten hierher. Auch Moslems glauben, König David, der im Koran mit dem Propheten Nabi Dawud gleichgesetzt ist, sei hier begraben. Diese Tradition geht auf das 12. Jahrhundert zurück. Heutzutage weiß man, dass ihr Ursprung nicht auf Tatsachen beruht. Etwas weiter oben erinnern die Christen an das Letzte Abendmahl Jesu im Cenaculum (oder Obergemach). Nach der Grabeskirche gilt es als die zweitwichtigste christliche Stätte in Jerusalem. Die Tradition besagt, dass hier die Eucharistie eingesetzt wurde, der wiederauferstandene Jesus den Jüngern erschien und sie zu Pfingsten den Heiligen Geist empfingen. Dennoch dürfen Christen nur sehr selten dort die heilige Messe feiern, da die Besitzverhältnisse des Abendmahlsaals immer noch nicht geklärt sind. Die Franziskaner, die 1333 die Ruinen einer früheren Kirche erwarben und das heutige Obergemach im gotischen Stil wiedererrichten ließen, beanspruchen diese Stätte für sich. Hier gründeten sie ihr erstes Kloster, bevor Sultan Süleyman der Prächtige sie 200 Jahre später vertrieb. Aus der Kapelle machte der Osmanische Herrscher eine Moschee und vertraute deren Verwaltung der mächtigen muslimischen Familie Dajani an, die mehrere Anwesen auf dem Berg Zion besaß. 1948 ging die Stätte in die Hände der Israelis über. Seither verhandelt der Vatikan mit dem Staat Israel, um deren Nutzungsrecht zurückzuerlangen. Eine zunehmende Radikalisierung Im Umfeld dieses spirituell und politisch aufgeladenen Orts befinden sich zwei katholische Klöster (ein franziskanisches und ein dominikanisches), ein armenisches, das griechisch-orthodoxe Priesterseminar, zwei Jeschiwot (jüdische Schulen) sowie mehrere Friedhöfe (muslimisch, armenisch, evangelisch und katholisch). „Auf einer ganz kleinen Fläche ist die Vielfalt einzigartig“, betont Merav Stein. Der Berg Zion ist „kein Viertel“, sondern ein Durchgangsort. Infolgedessen wurde das Gebiet lange von der Polizei nicht beachtet, ja sogar vernachlässigt.“ Der Hass hinterlässt vielfältige Spuren. Im Franziskanerkloster erinnert man sich an das Jahr 2009, als Studenten der nahegelegenen Jeschiwa das Außenkreuz des Ad Cœnaculum zerstörten. 2016 wurden Sprüche wie „Zur Hölle mit den Christen“ und „Tod den Christenheiden, den Feinden Israels“ auf die Mauern der Benediktinerabtei Dormitio, des griechisch-orthodoxen und des armenischen Friedhofs gesprayt. Es sind immer dieselben kleinen Gruppen von jüdischen Extremisten, die dafür verantwortlich zeichnen. Bei den Osterprozessionen stellen sie sich regelmäßig vor das Cenaculum. Zu den Klängen des Schofars und mit antichristlichen Parolen versuchen sie die Gebete im Obergemach zu übertönen. „Sie fühlen sich insbesondere von den Prozessionen der griechisch-orthodoxen Christen gestört, die als Einzige hinuntergehen, um Davids Grab zu beweihräuchern“, erklärt Pater Athanasius, der Franziskaner, der für die Kustodie über die Wahrung des Status quo wacht. „Sie haben das Gefühl, dass ihre Gebetsstätte geschändet wird und bedroht ist.“ Orthodoxe Juden im Kreuzgang des ehemaligen Franziskanerklosters, links die Mauern des Abendmahlsaales
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