8 2/2023 IM LAND DES HERRN Blindgeborenen gibt jetzt mir, Jesus, die Gelegenheit, ein eindrucksvolles Wunder zu vollbringen. Das Wunder wiederum demonstriert, dass Gottes Absicht nicht die Bestrafung ist, sondern die Rettung. Das lässt uns trotzdem mit der Frage zurück, was wir mit dem früheren Wort im 5. Kapitel tun sollen. Nicht zu sündigen, damit nicht noch Schlimmeres passiert – das können wir entgegen dem ersten Augenschein auch anderes verstehen, aber durchaus auf der Linie johanneischer Theologie. Das Schlimmste, was geschehen kann, besteht darin, seine Rettung zu verspielen, ewiges Leben zu verlieren. Die Sünde, die dazu führt, ist fehlender Glaube, ist Unglaube gegenüber Jesus als Gottes letztem Wort und Gottes Sohn. Der Mann, obwohl geheilt, setzt sich dem Risiko aus, dem Wundertäter Jesus doch nicht zu vertrauen (das wäre seine Sünde) und daher endgültiges Heil zu verlieren (das wäre das Schlimmere). Die Glaubensfrage wird den weiteren Verlauf von Joh 5 bestimmen. Und wir selbst? Eine letzte Frage wäre die, wo wir uns selbst in diesem Evangelium wiederfinden. Wahrscheinlich sind wir nicht sonderlich erpicht auf eine Identifizierung mit dem lahmen und dennoch geheilten Mann, der dafür ein zu zwielichtiger Charakter ist. Ich schlage vor, dass wir eine Lücke in der Erzählung zu füllen versuchen, die angezeigt wird durch die Klage des Mannes: „Ich habe keinen Menschen, der mich zum Wasser bringt.“ Er braucht eine helfende Hand. Das wird interessanterweise von Thornton Wilder – auf der Grundlage des Langtextes – gesehen. In einer Szenenanweisung schreibt er: „Eine Tür führt zu einem Vorbau, wo die Diener der Kranken mit Würfeln spielen, während sie auf den Zuruf warten, ihren Meister in das Wasser zu werfen, wenn der heilende Engel den Teich aufwühlt.“ Ich empfehle nicht das Würfelspiel, wohl aber die Rolle der Diener. Wir könnten Menschen helfen, die nach Heilung suchen, indem wir sie zu Jesus führen, der gerade im Johannesevangelium – und zwar das ganze Evangelium hindurch – als Quelle lebendigen Wassers in Erscheinung tritt (4,7–15: am Jakobsbrunnen, bes. 4,14: „…das Wasser, das ich ihm geben werde, wird in ihm zu einer Quelle von Wasser, das hinübersprudelt ins ewige Leben“; 7,38: „Aus seinem Innern werden Ströme lebendigen Wassers fließen“; 19,34: „und sogleich floss Blut und Wasser heraus“). Wenn wir versuchen, Menschen mit helfender Hand in dieses lebensspendende Wasser zu werfen, werden wir vielleicht ein Stück weit zu dienenden Engeln für sie. Heilung am Betesda, Beichtstuhl Pfarrkirche Edelstetten
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